Inzwischen ist auch HU Berlin beigetreten.
Seit der Verabschiedung der Open-Access-Strategie hat sich insbesondere seitens der Förderpolitik ein deutlich stärkeres Bewusstsein dafür entwickelt, dass die Transformation hin zu vollständigem Open Access und der Umsetzung offener Wissenschaftspraktiken nicht ohne einen Kulturwandel gelingen kann, der vor allem durch die Anerkennung der Aktivitäten von Forschenden und Einrichtungen bei der Evaluation erreicht wird. Die Strategie hatte diesen Punkt auf zwei Ebenen adressiert: Zum ersten sollten Open-Access-Publikationen als Indikator im Rahmen der leistungsorientierten Mittelverteilung des Landes Berlin an die Einrichtungen „erörtert“ werden; zum zweiten sollten Forschungseinrichtungen Open Access als Evaluationskriterium festlegen (Senat von Berlin, 2015). |
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Für die Berliner Hochschulen gibt das Land Berlin seit der Novellierung des BerlHG im Jahr 2021 eine klare Richtung vor:
Die Hochschulen fördern die Anerkennung von Praktiken offener Wissenschaft (Open Science) bei der Bewertung von Forschungsleistungen im Rahmen ihrer internen Forschungsevaluation und bei Einstellungsverfahren (Abgeordnetenhaus von Berlin, 2021).
Der BUA-Forschungsverbund hat das CoARA Agreement (siehe Wissenschafts- und Förderpolitik) im April 2023 unterzeichnet. Zuvor sind bereits die Charité, das Berlin Institute of Health und die TU Berlin als einzelne Einrichtungen beigetreten. Die FU Berlin, HU Berlin, TU Berlin und die Charité sind über den Forschungsverbund der BUA somit Teil einer Koalition von Organisationen, die gemeinsam an der Reform der Forschungsevaluation arbeiten wollen.
Die Forschungsevaluation auf Personalebene wird in Bewerbungsverfahren an Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaften und künstlerischen Hochschulen inhaltlich durch Fakultäten, Fachbereiche und/oder Professuren für die Stellenbesetzung durchgeführt. Da viele Einrichtungen ein weites Fächerspektrum bedienen, sind auch die Anforderungen und Möglichkeiten für die Praxis offener Wissenschaft unterschiedlich.
Im Bewerbungsportal für Professuren der Charité wird explizit nach Praktiken offener Wissenschaft gefragt, die in einem Textfeld ausgeführt werden können. Dort wird sowohl nach spezifischen Praktiken wie Prä-Registrierung und Open Data gefragt, als auch eine Einschätzung erbeten, wie offene Wissenschaft in Zukunft umgesetzt werden soll. Die Ergebnisse werden durch das Berlin Institute of Health (BIH) QUEST Center for Responsible Research in die Berufungskommissionen eingebracht. In den Förderprogrammen des BIH sind Kriterien einer offenen Wissenschaft neben weiteren qualitätsorientierten Parametern in die strukturierten Forschungsprojektskizzen für Bewerber*innen und in Bewertungshilfen für die Gutachter*innen integriert (MERIT Projekt, „QUEST-Kriterien“) (Dirnagl & Kip, 2018). Am BIH QUEST Center ist die BUA-geförderte Innovationsgruppe „Matters of Research Assessment and its Implementation“ (MAI) angesiedelt. Dort wird erarbeitet, wie eine gemeinsame Entwicklung von Strategien zur Anpassung der aktuellen Praxis der Forschungsbewertung für die Ernennung von Professor*innen und die Bewertung von Tenure-Track an die EU-weiten Entwicklungen angepasst werden kann. Dazu gehört unter anderem das EU-Rahmenprogramm Responsible Research and Innovation (RRI) (Kip, Jachan, & Hempel, 2023).
Insbesondere an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, an denen die Besetzung von Professuren sich aufgrund der Bewerber*innenlage und der Stellenbeschreibungen schwieriger gestaltet, ist ein zusätzliches Kriterium wie Offenheit (derzeit) oft nicht umsetzbar. Zudem ist beispielsweise in Verfahren an künstlerischen Hochschulen nicht immer eindeutig, welchen Kriterien eine relevante Open-Access-Publikation erfüllen muss.
Zugleich wird in einigen bestehenden Open Access Policies empfohlen, dass Hochschulangehörige sich gezielt in Herausgabe-, Redaktions- und Begutachtungsfunktionen von Open-Access-Publikationen engagieren sollen, die entsprechend anerkannt werden könnten (Neufend, 2022). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat bereits Maßnahmen unternommen, damit in Bewerbungsverfahren in allen DFG-Programmen Offenheit standardisiert sichtbarer wird. Im März 2023 hat die DFG ein aktualisiertes Muster für Lebensläufe veröffentlicht, in dem beispielsweise öffentlich gemachte Ergebnisse in unterschiedlichen Publikationsformen und nicht-publikationsbezogene Forschungsleistungen sichtbarer als bisher gemacht werden können (DFG, 2023).
Auf Ebene der Europäischen Forschungsförderung ist eine wichtige Innovation hervorzuheben, die der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) im Sommer 2023 verkündete. Gemäß den CoARA-Empfehlungen legt der ERC bei der Bewertung von Projektanträgen fortan stärkeres Gewicht auf eine qualitative Begutachtung von Forschungsleistungen. Bisher reichten die Bewerber*innen einen tabellarischen Lebenslauf ein, in dem vor allem die Auflistung an bisher bekleideten Positionen und veröffentlichten Publikationen bewertet wurde. Seit 2024 sollen die Bewerber*innen einen vierseitigen, schriftlich ausformulierten Lebenslauf einreichen, in dem diese ihren persönlichen Karrierepfad und die Anerkennung bisheriger Forschungsleistungen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft darstellen sollen. Außerdem erhalten Bewerber*innen die Möglichkeit, zusätzliche Angaben zu machen, etwa um berufliche Auszeiten zu erläutern oder andere Forschungsleistungen hervorzuheben, die in den anderen Abschnitten keinen Platz gefunden haben. Mit dieser Änderung reagiert der ERC auf Fehlentwicklungen im Publikationssektor und in der Gestaltung von Karrierewegen von Wissenschaftler*innen, die allein auf Reputationsmechanismen basieren und daher besonders anfällig für Matthäus-Effekte1 sind. Auch bei der Evaluation geht der ERC neue Wege: Hier wird mehr Gewicht auf den Projektantrag gelegt und weniger auf die Person der Wissenschaftler*in: Bisher war es bei ERC-Anträgen üblich, sowohl die antragstellende Person wie auch den Projektantrag mit einer Punktezahl zu bewerten. Künftig wird nur noch der Projektantrag mit einer Punktezahl bewertet. Das soll dazu beitragen, bestimmte Verzerrungseffekte zu vermeiden, etwa wenn eine bereits hoch reputierte und damit hoch bewertete Wissenschaftler*in einen vergleichsweise schwachen Antrag einreicht oder andersherum. Auch die qualitative Begutachtung der Lebensläufe der Antragsteller*innen bringt mehr Flexibilität in die Begutachtung und eröffnet Raum für non-konforme beziehungsweise realistischere Karrierewege, die insbesondere Menschen mit Care-Verpflichtungen oder persönlichen Einschränkungen entgegenkommen kann (European Research Council, 2023).
Berlin ist eines der ersten Bundesländer, das Einzelverträge mit Hochschulen zur Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) eingeführt hat. Die externe LOM gilt auf Landesebene als wettbewerblicher Anreiz und soll als zentrales Steuerungselement der Hochschulen trotz begrenzter Ressourcen die Förderung leistungsstarker Bereiche in der Forschung anhand von Drittmitteln ermöglichen (Krupka, Koenig, & Kip, 2022). Die Hochschulsteuerung durch das Land anhand von leistungsbezogenen Mitteln hat zugleich Einfluss auf die Einrichtungen und ihre interne leistungsabhängige Mittelzuweisung zur internen Steuerung. Diese interne LOM kann ein wesentlicher Baustein für die Qualitätsverbesserung der Forschung an Hochschulen sein. Nach welchen Kriterien die LOM durchgeführt wird, unterscheidet sich je nach Einrichtung.
An der FU Berlin werden beispielsweise Gelder im Bereich Forschung unter anderem nach einem „Bewertungsschlüssel für Publikationen nach Publikationsarten“ vergeben, wobei offene Wissenschaft derzeit noch keine Rolle spielt (Krupka & Kip, 2022). Auf Ebene der institutionellen Förderung ist Open Data zu Publikationen Teil der indikatororientierten Mittelvergabe am BIH (IOM). Seit 2019 wird für Open Data auch im Rahmen der LOM an der Charité eine Zusatzincentivierung an alle Einrichtungen vergeben, wobei die Weiterführung der Maßnahme derzeit fraglich ist (Berlin Institute of Health, n.d.). Seit kurzem wird zudem ein Preis ausgelobt, wenn die Daten Forschender in weiteren Forschungsprojekten nachgenutzt werden (Open Data Contributor Award).
Das Museum für Naturkunde hat in der aktuellen Open-Access-Richtlinie 2022-2024 aufgenommen, dass die Bemühungen der Forschenden, im Open Access zu Forschungsergebnissen zu publizieren, anerkannt und dementsprechend in der Forschungsevaluierung berücksichtigt werden (Museum für Naturkunde Berlin, 2022).
Einen wichtigen Teil wissenschaftlicher Forschung an Hochschulen stellen Qualifikationsarbeiten dar. Insbesondere Qualifikationsschriften wie Dissertationen und Habilitationen sind wichtige Beiträge zur Forschung sowie zur Produktion von Innovation und sie sind elementare Bausteine im kollektiven Forschungsprozess. In Deutschland darf der verliehene Doktorgrad erst geführt werden, wenn die Dissertation innerhalb einer bestimmten Frist und in angemessener Weise der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Häufig ist diese Zugänglichmachung noch über eine Anzahl an gedruckten Exemplaren nachzuweisen, zum Teil können die Kandidat*innen dieser Pflicht aber auch über veraltete Medien wie Microfiche nachkommen.2 Vermehrt werden Dissertationen an Universitäten auch über die eigenen Publikationsinfrastrukturen veröffentlicht: An der TU Berlin wurden im Jahr 2022 bereits circa 76,3 % der Dissertationen online auf dem Repositorium veröffentlicht; an der FU Berlin sind es 71,5 %, an der HU Berlin circa 57 % elektronisch publizierte Dissertationen. Jedoch sind nicht alle über Repositorien veröffentlichte Dissertationen unter der offenen Lizenz CC BY publiziert (Ausnahmen gibt es insbesondere bei kumulativen Dissertationen).
Im Strategieworkshop mit wissenschaftlichen Einrichtungen wurde gefordert, dass bei Anpassungen der Studien- und Promotionsordnungen bedacht werden sollte, ob Dissertationsschriften und andere Qualifikationsarbeiten bei entsprechender Qualität und sofern keine rechtlichen und ethischen Einschränkungen dagegen sprechen, standardmäßig Open Access auf dem Repositorium publiziert werden können (Fischer, Kindling, & Neufend, 2023). An vielen Einrichtungen wird das teilweise bereits umgesetzt; als Auswahlkriterien kommen Empfehlungen oder Prämierungen in Frage: Die HWR Berlin hat beispielsweise seit 2023 eine Richtlinie für die Veröffentlichung studentischer Abschlussarbeiten auf dem Repositorium, die eine Option für eine Open-Access-Publikation der Arbeiten enthält. Voraussetzung ist die Note 1,7 oder besser oder eine Publikationsempfehlung der Prüfer*innen (Hochschule für Wirtschaft und Recht, 2023). An der Charité werden sehr gute Abschlussarbeiten (vier Arbeiten pro Jahrgang) auf dem Repositorium veröffentlicht. An der EHB erfolgt eine Prämierung von Bachelorarbeiten der Studierenden aller Studiengänge im Rahmen der Reihe ehb.forscht. Sie soll um eine zweite Reihe mit prämierten Masterarbeiten erweitert werden und spätestens 2025 auf dem Repositorium KiDokS veröffentlicht werden.
Für die Forschungsevaluation auf Fachbereichsebene erprobt die HU Berlin derzeit ein Pilot-Konzept, in dem unter anderem in Bezug auf BerlHG § 41 (5) Open Research als Kriterium für die Bewertung der Forschungsleistung genannt wird (Humboldt-Universität zu Berlin, 2023). Diese Evaluation wird in Form eines Selbstberichts auf Instituts- beziehungsweise Fachbereichsebene durchgeführt, wobei schwerpunktmäßig Angaben zu Open-Research-Aktivitäten und -Zielen, Open-Access-Publikationen einschließlich Quellcodes, Methoden und Workflows sowie dem Forschungsdatenmanagement abgefragt werden.
*Titelbild: Maksim P. Dmitriev / Scherer, Nabgolts & Co. Dienstgebäude für das Preußische Staatsministerium, Berlin. General-Lotterie-Direktion
Innenansicht Archiv. Lizenz: Werk und Digitalisat sind gemeinfrei. Architekturmuseum TU Berlin. Quelle: https://doi.org/10.25645/bgsf-t3xr