Die Open-Access-Strategie nahm im Handlungsfeld Kulturdaten/kulturelles Erbe unter dem Punkt „Digitalisierung wissenschaftsrelevanter Bestände“ Bezug auf wertvolle und für die Forschung relevante Archiv- und Literaturbestände der Berliner Einrichtungen. Für diese sollten ressortübergreifend zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden (Senat von Berlin, 2015). Eine Prämisse des Landes Berlin in der Open-Access-Strategie war es überdies, dass die mit Landesmitteln digitalisierten Bestände „rechtlich möglich unter technisch offenen, plattformunabhängigen Formaten und rechtlich offenen Lizenzen gemäß der Open Definition“ verfügbar gemacht werden (Senat von Berlin, 2015). |
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An den Berliner Einrichtungen finden vielfältige Aktivitäten zur Digitalisierung und offenen Zugänglichmachung des lokalen wie nationalen Kulturerbes in Form von Objekten und Sammlungen statt. Neben Landesmitteln (siehe zum Beispiel das Förderprogramm des Landes Berlin zur Digitalisierung des kulturellen Erbes) werden viele dieser Projekte aus Drittmitteln zum Beispiel der DFG, des BMBF und der EU finanziert. Bei der Digitalisierung sind Einrichtungen angehalten, zu den digitalisierten Datenobjekten entsprechende Metadaten verfügbar zu machen, die Auskunft über die Zugriffs- und Nutzungsrechte enthalten. In der Open-Access-Strategie Berlin hat sich das Land bereits dazu verpflichtet, in den durch Landesmittel geförderten Projekten zur Digitalisierung die Offenheit von Daten zu verankern – sie bezieht sich zum einen auf die Verwendung offener Lizenzen soweit rechtlich möglich und zum anderen auf die Nutzung technisch offener, plattformunabhängiger Formate (Senat von Berlin, 2015). Diese Vorgabe wird auch im Förderprogramm zur Digitalisierung durch digiS aufgegriffen, indem ausdrücklich die Verwendung offener Lizenzen für digitalisierte Objekte empfohlen wird, sofern die Institution dies ermöglichen kann.1
Idealerweise werden die Metadaten digitalisierter Objekte zur weiteren Verarbeitung selbst unter einer freien Creative-Commons-Lizenz verfügbar gemacht. Wenn Institutionen ihre Daten an Europeana oder die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) weitergeben möchten, sind sie meist dazu verpflichtet, ihre Metadaten mit einer CC0-Lizenz zu versehen und Lizenzinformationen für die Digitalisate anzugeben. Im Falle digitalisierter Objekte fehlen allerdings oft rechtliche Informationen zur Nachnutzung. Mitunter wird bewusst auf Angaben zur Lizenzierung verzichtet oder es werden restriktive Lizenzen genutzt, obwohl dies eigentlich nicht notwendig wäre. Die tiefgreifende Integration des Open-Access-Gedankens in das Sammlungsmanagement und den Sammlungsaufbau ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines verbesserten freien Zugangs (Stiller, Trkulja, Neufend, & Kindling, 2022).
Exemplarisch für die Vielfalt der Digitalisierungsaktivitäten werden nachfolgend einige Projekte vorgestellt, deren Daten öffentlich und idealerweise auch unter offenen Lizenzen zur Verfügung gestellt. Durch die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und die HU Berlin wurde 2023 beispielsweise das BMBF-Vorhaben Dramaturgien eines Archivs. Studioinszenierungen am ‚bat‘: Theatergeschichte(n) im neuen Inszenierungsarchiv der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin(DramA) in der Förderlinie „Vernetzen – Erschließen – Forschen. Allianz für Hochschulsammlungen II“ gestartet. Das Projektziel besteht darin, bedeutende, teilweise weniger bekannte Abschnitte der deutschen Theatergeschichte mithilfe des Archivs zu rekonstruieren und der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
An der HU Berlin werden die universitären Sammlungen durch die Universitätsbibliothek in Zusammenarbeit mit dem interdisziplinären Hermann von Helmholtz Zentrum für Kulturtechnik digitalisiert. Im Rahmen der Digitalisierung der Universitätssammlungen konnten so bereits circa 75.000 Objekte, Archivalien, Bildquellen und Drucke aus den Lehr- und Wissenschaftssammlungen der Universität digitalisiert werden. Die digitalen Sammlungen werden unter Beachtung der rechtlichen oder kulturethischen Aspekte für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht und seit 2021 in verschiedenen Ausstellungen im Humboldt-Labor des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschloss präsentiert. Zu den Kooperationspartnerinnen zählen die Staatlichen Museen zu Berlin und die Stiftung Stadtmuseum Berlin. Damit fördert die HU Berlin den Austausch zwischen Gesellschaft und Wissenschaft und ermöglicht Einblicke in Wissenschaftsprozesse. Zu den zahlreichen und aus verschiedenen Disziplinen stammenden Sammlungen gehören zum Beispiel das Lautarchiv sowie Teile der Bibliothek von Jacob und Wilhelm Grimm. Am Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik ist zudem die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland angesiedelt, die das Ziel verfolgt, durch Projekte und die Pflege des Netzwerks die wissenschaftlichen Sammlungen an Universitäten und Hochschulen zugänglich und nutzbar zu machen.
Gemeinsam mit der Staatsbibliothek zu Berlin ist die HU Berlin zudem in den kooperativen Digitalisierungsprojekten zu Verzeichnissen Deutscher Drucke des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (VD 16, VD 17 und VD 18) aktiv, in denen etwa 20 wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland zusammenarbeiten. Diese Vorhaben zielen auf den retrospektiven Aufbau einer verteilten digitalen Nationalbibliothek.
An der FU Berlin sind sämtliche Objekte der Abguss-Sammlung Antiker Plastik des Instituts für Klassische Archäologie digital erschlossen und in der Datenbank Arachne erfasst, auf der die Daten frei zugänglich sind. Diese Online-Datenbank des Deutschen Archäologischen Instituts dient auch zur Verwaltung der Objekte, wobei die Datensätze kontinuierlich mit neuen Daten und Bildern angereichert werden. Das Herbarium Berolinense, Berlin (B) des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin-Dahlem ist das größte in Deutschland und beherbergt eine Sammlung von mehr als 3,5 Millionen konservierten Exemplaren. Das Herbarium des Botanischen Gartens hat umfänglich digitalisiert. Die digitalisierten Belege sind im Virtuellen Herbarium Deutschland VH/de unter freien Lizenzen einsehbar (siehe Abbildung 10). Zugleich entstand die Community der „Herbonauten“, das heißt interessierte Bürgerwissenschaftler*innen, die bei der Erschließung zum Beispiel von Handschriften aus dem 19. Jahrhundert mitwirkten. Dieses Vorhaben zählt damit zu den „erfolgreichsten botanischen Citizen Science-Sammlungsprojekten“2.
Die Theaterhistorischen Sammlungen am Institut für Theaterwissenschaft der FU Berlin haben verschiedene Bestandsgruppen ebenfalls digital zugänglich gemacht, beispielsweise ein Regiebuch Max Reinhardts, dessen digitale Images, die Transkription sowie die Projektdokumentationen zum Download bereit stehen und unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 weitergenutzt werden können. Hinzu kam jüngst die Digitalisierung des Nachlasses der Bühnentechniker-Familie Brandt im Rahmen einer digiS-Förderung, das auch in der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB) zu finden ist und mit einer Public Domain Mark veröffentlicht wurde.
Das Architekturmuseum der TU Berlin sammelt seit über 130 Jahren Architekturzeichnungen, -fotografien, -modelle und vieles mehr. Mittlerweile hat das Museum 160.500 Objekte digitalisiert, fachwissenschaftlich mit Metadaten angereichert und in eine recherchierbare Datenbankstruktur eingearbeitet. Ein Großteil des so digital aufgearbeiteten Bestandes steht nunmehr zum freien Download ohne Einschränkungen oder Verpflichtungen zur Verfügung (siehe Abbildung 11).
Die Universitätsbibliothek der TU Berlin engagiert sich für die Bereitstellung und Weiterentwicklung der Open-Source-Digitalisierungssoftware Kitodo. Key to digital objects, unter anderem durch die Betreuung der Geschäftsstelle des Vereins Kitodo. Key to digital objects e. V. Im Verein sind auch weitere Berliner Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen beziehungsweise deren Bibliotheken organisiert. Durch den Verein werden die Weiterentwicklung der Software und der Community unterstützt.
Die Staatsbibliothek zu Berlin engagierte sich im Projekt QURATOR – Curation Technologies für die Weiterentwicklung von Technologien zur Volltextgewinnung und Kuratierung digitaler Inhalte unter dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (siehe Künstliche Intelligenz). QURATOR wurde im Rahmen der Berliner Wachstumskerninitiative gefördert. Ziel war es, die Verwertung der von ihr erzeugten Digitalisate durch Forschung und Kreativwirtschaft zu befördern, indem einzelne Kuratierungstätigkeiten mittels Verfahren aus der Künstlichen Intelligenz (KI) hochwertiger, effizienter und kostengünstiger gestaltet und in praxisnahe Lösungen überführt werden. Darüber hinaus digitalisiert und erschließt die Staatsbibliothek Berlin in Kooperation mit der Deutschen Nationalbibliothek im DFG-finanzierten Projekt Pop-up 3D – Digitalisierung und interaktive Visualisierung historischer Spielbilderbücher in wissenschaftsgeleiteter Praxis kinetische Buchobjekte mit 3D-Verfahren. Das Zentrum für Digitale Kulturelle Materialitäten (Zedikum) steht den Einrichtungen der SPK mit Expertise und Infrastrukturen als Core Facility auf den Feldern von 3D-Digitalisierung und -Visualisierung zur Verfügung (siehe Abbildung 12).
Das Projekt IN_CONTEXT Colonial Histories and Digital Collections ist an der Staatsbibliothek zu Berlin angesiedelt und wird von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefördert. In diesem Projekt soll eine Finanzierung für die Digitalisierung von Bibliotheksbeständen aus kolonialen Kontexten und für den Aufbau einer virtuellen Forschungsumgebung eingeworben werden. Spartenübergreifend wird die Digitalisierung und Erschließung des Nachlasses Leni Riefenstahl als Verbundprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin, der Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Deutsche Kinemathek in einem DFG-finanzierten Projekt durchgeführt. Durch die Veröffentlichung der Bestände in einem gemeinsamen Online-Portal soll eine Plattform für die Auseinandersetzung geschaffen werden. Bedeutsam ist auch die DFG-finanzierte „Digitalisierung historischer Zeitungen: Die deutschsprachige Presselandschaft im ‚langen‘ 19. Jahrhundert – ein Beitrag zur Digitalisierung überregionaler Tages- und Wochenzeitungen aus Berlin und dem deutschen Osten“. Indem ein Gesamtvolumen von etwa 2,7 Millionen Seiten digitalisiert und im Volltext unter der Public Domain Mark im Open Access zugänglich gemacht wird, möchte die Staatsbibliothek zu Berlin (SBB PK) einen quantitativ maßgeblichen Beitrag zur systematischen Zugänglichmachung von Deutschlands überregionaler Presselandschaft leisten.
Das Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin koordinierte und initiierte im Jahr 2022 die erste „Datenspende“ von circa 10 Tausend Objektabbildungen aus der Gemäldegalerie und dem Münzkabinett im Medienarchiv Wikimedia Commons. Die Digitalisate sind offen als Public Domain oder als CC BY-SA ausgezeichnet und eine Bereitstellung umfangreicher Objektinformationen stellt eine hohe Qualität der digitalen Abbildungen und der Metadaten sicher.
Mit Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Kulturstiftung der Länder sowie der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt konnte das Landesarchiv Berlin den Korrespondenz-Nachlass von Emilie und Rudolf Mosse nach Restitution als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut 2021 für das Land Berlin erwerben. Im Juni 2023 wurde das Onlineportal Korrespondenz-Nachlass Emilie und Rudolf Mosse freigeschaltet, das die Digitalisate unter einer Public Domain Mark verfügbar macht.
Im Erschließungs- und Editionsprojekt August Wilhelm Ifflands dramaturgisches und administratives Archiv kooperiert das Landesarchiv mit der BBAW und der Humboldt-Universität zu Berlin. Iffland war von 1796 bis 1814 Direktor des Königlichen Nationaltheaters. Sein Brief- und Dokumentenarchiv ist für die Theater-, Literatur-, Musik- und Kulturgeschichte von großer Bedeutung. In der durch die BBAW verfügbar gemachten Edition sollen 34 Foliobände mit circa 7.500 beschriebenen Blättern erschlossen werden, um sie der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Editionstexte werden unter einer freien Lizenz verfügbar gemacht.
Das Museum für Naturkunde Berlin - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung ist seit 2009 eine Stiftung öffentlichen Rechts und gehört der Leibniz-Gemeinschaft an. Mit seinem Bestand von über 30 Millionen Objekten ist es das größte Naturkundemuseum Deutschlands und verfügt über eine der weltweit umfassendsten naturhistorischen Sammlungen. Einen Teil der umfangreichen Sammlung macht das Museum online für Recherche- und Forschungszwecke unter anderem über das Datenportal und das Tierstimmenarchiv verfügbar (siehe Abbildung 13). Am Museum soll eine „offene Wissensinfrastruktur für Natur [entstehen], die multiperspektivisches Denken und Handeln fördert. Wir entwickeln und erforschen unser Wissen, unsere Daten und Objekte und öffnen sie für alle, für verantwortungsvolle Forschung und Innovation.“ Das MfN gehört somit zu den wichtigen Treibern von Offenheit am Wissenschaftsstandort Berlin, die auch zivilgesellschaftliche Akteure einbezieht: Das MfN, die HU Berlin und die Robert-Bosch-Stiftung haben die Berlin School of Public Engagement and Open Science gegründet, die „die Kommunikation und Dialogformate zwischen Forschung und Öffentlichkeit [fördert], um gesamtgesellschaftliche Prozesse und Fragestellungen kritisch und systematisch zu begleiten.“3
Am Museum für Naturkunde wird auch das Verbundprojekt WiNoDa koordiniert, das in Kooperation mit weiteren Partnereinrichtungen unter anderem aus Berlin und Brandenburg4 durchgeführt wird. Das Projekt soll Forschende befähigen, naturwissenschaftliche Forschungssammlungen umfassend zu beforschen und die Erkenntnisse in die Gesellschaft zu tragen. Dazu werden auch offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER) nachgenutzt oder entwickelt. In einer eigenen „Richtlinie zur Urheberrechtsauszeichnung für Medien und Daten aus der Sammlungserschließung“ setzt sich das Museum für ein adäquates Open-Research-Verständnis bei Forschungs- und Kulturdaten ein. Das mit der Anwaltskanzlei iRights.Law gemeinsame erarbeitete Papier spricht sich für offene Creative-Commons-Lizenzen bei Daten aus, damit Interessierte schnell und rechtssicher erkennen können, wie sie die Daten (nach-)nutzen können. Grundsätzlich sieht das MfN für die eigens erstellten Daten und Medien eine CC0-Lizenz beziehungsweise Public Domain Mark vor. Nur in Ausnahmefällen, wie etwa bei besonders sensiblen Daten oder natürlich auch bei rechtlich geschütztem Material, kommen abweichend restriktivere Lizenzen zum Einsatz (CC BY, CC BY-SA, CC BY-NC und so weiter). Bei Daten und Medien, deren urheberrechtlicher Status nicht eindeutig zu ermitteln ist, werden, wenn überhaupt, Angaben wie „All rights reserved“ verwendet.
Die ZLB veröffentlicht Retrodigitalisate in der Digitalen Landesbibliothek Berlin als gemeinfreie Werke (Public Domain). In der Open Access Policy des Landesarchivs ist festgelegt, dass Erschließungsdaten unter der offenen Lizenz Creative Commons CC0 zur Verfügung gestellt werden sowie Digitalisate von gemeinfreien Werken unter der Creative Commons Public Domain bereitgestellt werden. Eine weitere praktische Maßnahme, die in der Policy formuliert wird, ist die Verabschiedung einer Lizenzleitlinie für digitalisiertes Archivgut, welches noch dem Urheberrechtsschutz unterliegt. Ein weiterer Punkt betrifft beispielsweise die maschinenlesbare Erstellung von Erschließungsinformationen (Landesarchiv Berlin, 2019). Laut aktueller Gebührenverordnung für das Landesarchiv (Landesarchiv Berlin, 2019) werden grundsätzlich Gebühren für die Erteilung von Nutzungsrechten erhoben, zum Beispiel für die öffentliche Wiedergabe. Für kommerzielle, freiberufliche, gewerbliche und publizistische Zwecke wird ein Aufschlag von 200 % für die Gewährung von einzelnen Nutzungsrechten erhoben. Dies gilt auch für gemeinfreies Material, das eigentlich Open Access und ohne Einschränkungen zur Verfügung gestellt werden könnte.
Titelbild: Foto von Solen Feyissa auf Unsplash.