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Open Access: Eine Auswertung der Ausgangslage

Published onJul 31, 2024
Open Access: Eine Auswertung der Ausgangslage
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Open Access soll der Standard des wissenschaftlichen Arbeitens sein. Auf wissenschaftspolitischer Ebene wird dieser Anspruch bereits seit einigen Jahren verkündet. Sowohl die Regierungskoalition 2021–2025 im Bund zwischen SPD, GRÜNE und FDP als auch das BMBF sprechen davon, Open Access als Standard des wissenschaftlichen Publizierens etablieren zu wollen (SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, 2021; BMBF, 2016). Im Hinblick auf das Publizieren von Artikeln in wissenschaftlichen Zeitschriften sind die wissenschaftlichen Institutionen dem Ziel Open Access immer näher gekommen. Der Wissenschaftsstandort Berlin profitiert auf der einen Seite von dieser Entwicklung, denn institutionell in Berlin verortete Forschung wird weltweit sichtbarer. Zugleich ist die fortschreitende Kommerzialisierung von Wissenschaft nicht nachhaltig und sorgt für neue Ungleichheiten sowohl unter den Forschungseinrichtungen in Berlin als auch im weltweiten Wissenschaftssystem. Dies wird auch wissenschaftspolitisch adressiert, wenn der Europäische Rat, das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU), mit Sorge erkennt,

dass die steigenden Kosten für Bezahlschranken beim Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und zum wissenschaftlichen Publizieren zu Ungleichheiten führen und für öffentliche Forschungsförderer und Einrichtungen, die für die Verwendung öffentlicher Mittel verantwortlich sind, untragbar werden, wodurch für die Forschung immer weniger Mittel zur Verfügung stehen (Rat der Europäischen Union, 2023).

Im Folgenden wird die Ausgangslage für offene Wissenschaft anhand der internationalen und nationalen Rahmenbedingungen erläutert, die sich zwischen einer Forderung der Standardisierung von Open Access und der Kritik an dessen Kommerzialisierung befinden. Diese Ausgangslage ist abhängig von aktuellen Entwicklungen, die mit Blick auf den Berliner Forschungsraum beschrieben werden.

Was bedeutet offene Wissenschaft?

Drei wegweisende Konferenzen und ihre jeweiligen Positionspapiere haben maßgeblich zum Verständnis von Open Access beigetragen: die Budapest Open Access Initiative (Chan et al., 2002), das Bethesda Statement on Open Access Publishing (Suber et al., 2003) und die Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities (Berlin Declaration, 2003).1 Besonders die Berliner Erklärung hat sich als entscheidender Bezugspunkt für die Entwicklung des Open-Access-Gedankens an deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen erwiesen (Bärwolff et al., 2023). Für viele wissenschaftliche Einrichtungen stellt die Unterzeichnung dieser Erklärung den Ausgangspunkt dar, um eine eigene Open-Access-Politik zu etablieren (Pampel, 2012). Die Berliner Erklärung wurde inzwischen von fast 800 Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen weltweit unterzeichnet.2 Unter diesen sind 38 Berliner Einrichtungen, zuletzt im Mai 2024 das Weizenbaum-Institut (siehe Liste unterzeichnender Einrichtungen). Von den 14 öffentlich-rechtlichen beziehungsweise konfessionellen Hochschulen (inklusive der Charité) haben elf die Berliner Erklärung unterzeichnet (siehe Übersicht über Strategien und Services).

Die Berliner Erklärung definiert Open Access als Grundprinzip für die öffentlich geförderte Forschung, indem formale Kriterien definiert werden, die sich auf verschiedene Ressourcen des Forschungsprozesses wie wissenschaftliche Textpublikationen, aber auch Forschungsdaten und Kulturdaten beziehen:

Der offene Zugang als erstrebenswertes Verfahren setzt idealerweise die aktive Mitwirkung eines jeden Urhebers wissenschaftlichen Wissens und eines jeden Verwalters von kulturellem Erbe voraus. Open Access-Veröffentlichungen umfassen originäre wissenschaftliche Forschungsergebnisse ebenso wie Ursprungsdaten, Metadaten, Quellenmaterial, digitale Darstellungen von Bild- und Graphik-Material und wissenschaftliches Material in multimedialer Form (Berlin Declaration, 2003).

Diesem Ansatz folgte auch die Berliner Open-Access-Strategie, indem sie die strategischen Ziele und die Maßnahmen auf die drei Handlungsfelder Text, Daten und kulturelles Erbe bezieht.

Unterzeichnende Einrichtungen der Berliner Erklärung in Berlin | 2.5.2024

  • Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik | 10.10.2023

  • Deutsches Zentrum für Altersfragen | 12.9.2023

  • Zuse Institute Berlin | 13.3.2023

  • Alice Salomon Hochschule Berlin | 4.1.2022

  • Internationale Psychoanalytische Universität Berlin | 20.4.2021

  • Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch | 16.3.2021

  • Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin | 22.2.2021

  • Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien | 7.9.2020

  • Forum Transregionale Studien | 1.7.2020

  • Universität der Künste Berlin | 5.6.2019

  • Berliner Hochschule für Technik | 24.1.2019

  • Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin | 11.12.2018

  • Stiftung Wissenschaft und Politik | 7.12.2018

  • Berliner Institut für Gesundheitsforschung | 23.5.2018

  • Charité – Universitätsmedizin Berlin | 23.5.2018

  • Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft | 23.5.2018

  • Zentrum für Literatur- und Kulturforschung | 31.8.2016

  • Technische Universität Berlin | 15.8.2016

  • Abteilung für Experimentelle Neurologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin | 26.1.2016

  • Stiftung Preußischer Kulturbesitz | 19.11.2013

  • Deutsches Archäologisches Institut | 19.11.2013

  • Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg | 19.11.2013

  • Stiftung Jüdisches Museum Berlin | 19.11.2013

  • Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin | 13.7.2011

  • Wissenschaftskolleg zu Berlin | 1.4.2009

  • Paul-Ehrlich-Institut, Bundesamt für Sera und Impfstoffe | 14.5.2007

  • Robert-Koch-Institut | 7.5.2007

  • Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung | 16.1.2007

  • Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e. V. | 16.6.2006

  • Humboldt-Universität zu Berlin | 9.5.2006

  • Freie Universität Berlin | 17.1.2006

Mit Bezug auf wissenschaftliches Wissen und kulturelles Erbe wurde in der Berliner Erklärung die Vision „von einer umfassenden und frei zugänglichen Repräsentation des Wissens“ vertreten, die mit bestimmten Werten und Prinzipien verbunden ist. Diese Vision könne nur umgesetzt werden, wenn sich das „Internet der Zukunft durch Nachhaltigkeit, Interaktivität und Transparenz auszeichnet“ (Berlin Declaration, 2003).

Die Berliner Erklärung spricht von einem ganzheitlichen Wandel durch die digitale Kommunikation. Die zugrunde liegenden Prinzipien der offenen Wissenschaft sind über die Jahre weiter ausformuliert worden, unter anderem indem unterschiedliche technische und wissenschaftsethische Standards definiert wurden. Besonders hervorzuheben ist die UNESCO Recommendation on Open Science (2021), in welcher sich die 194 Mitgliedstaaten auf eine Definition von offener Wissenschaft geeinigt haben:

For the purpose of this Recommendation, open science is defined as an inclusive construct that combines various movements and practices aiming to make multilingual scientific knowledge openly available, accessible and reusable for everyone, to increase scientific collaborations and sharing of information for the benefits of science and society, and to open the processes of scientific knowledge creation, evaluation and communication to societal actors beyond the traditional scientific community (UNESCO, 2021).

Diese Empfehlung umreißt auch gemeinsame Werte, Grundsätze und Standards für offene Wissenschaft auf internationaler Ebene. Es werden eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer „fairen und gerechten Umsetzung von offener Wissenschaft für alle auf individueller, institutioneller, nationaler, regionaler und internationaler Ebene beitragen“ sollen (UNESCO, 2021). Die vier Handlungsfelder der UNESCO Empfehlung sind „open scientific knowledge“, „open science infrastuctures“, „open engagement of societal actors“ und „open dialogue with other knowledge systems“. Diese Handlungsfelder zeigen auch die Besonderheit der UNESCO Empfehlung, denn als globale Empfehlung ist hier die Bedeutung von diversen Wissenssystemen und epistemischen Kulturen beispielsweise von indigenen Völkern und marginalisierten Forschenden wichtig für die Art und Weise, in der offene Wissenschaft betrieben wird. Auch deshalb spielen Werte und Prinzipien eine wichtige Rolle für die Definition von Open Science innerhalb dieser Empfehlung (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Open Science Core Values and Guiding Principles, Quelle: UNESCO 2021, S. 19: https://doi.org/10.54677/MNMH8546.

Die UNESCO Empfehlung macht deutlich, dass offene Wissenschaft nicht nur für forschungsstarke Einrichtungen Bedeutung hat, indem sich Open Science neben der Öffnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen auch auf den gesamten Prozess der Forschung und Lehre und die dafür notwendigen, nicht gewinnorientierten und langfristig nachhaltigen Wissenschaftsinfrastrukturen bezieht. Diese offenen Infrastrukturen sollen den ständigen und uneingeschränkten Zugang für die gesamte Öffentlichkeit in größtmöglichem Umfang garantieren (UNESCO, 2021).

Der Begriff Open Research, wie er im Rahmen der Landesinitiative Open Research Berlin verwendet wird (siehe Landesinitiative Open Research Berlin), betont, dass alle Wissenschaftsdisziplinen und Domänen, inklusive Kunst und Kultur, in die Strategie für eine offene Wissenschaft in Berlin einbezogen werden. In enger Anlehnung an die UNESCO Empfehlung fasst der Begriff „Open Research“ Konzepte und Praktiken der wissenschaftlichen Kommunikation und Arbeitsweise zusammen, die einen offenen und nachhaltigen Zugang zu Forschungsergebnissen und Forschungsmaterialien sowie dem gesamten Forschungsprozess ermöglichen. Durch Open Research werden öffentlich geförderte Wissenschaft, Forschung und Lehre aller Disziplinen wenn möglich für eine breite Öffentlichkeit finanziell, rechtlich und technisch uneingeschränkt zugänglich, nachvollziehbar und nachnutzbar gemacht. Dies ermöglicht die Teilhabe und schafft eine Transparenz über die wissenschaftliche Arbeit, die auch ihre Qualität verbessert.

Um eine Selbsteinschätzung der eigenen Werte und Prinzipien vorzunehmen, können Einrichtungen beispielsweise das FOREST Framework for Values-Driven Scholarly Communication nutzen. Dieser FOREST-Rahmen soll Organisationen und Gemeinschaften im Bereich der wissenschaftlichen Kommunikation dabei helfen, ihre Ausrichtung auf die wichtigsten Werte zu demonstrieren, zu bewerten und zu verbessern, darunter: finanzielle und organisatorische Nachhaltigkeit, Offenheit, repräsentative Steuerung, Gleichberechtigung, Zugänglichkeit und Anti-Diskriminierung, gemeinsame Nutzung von Wissen und Transparenz (Lippincott & Skinner, 2022). Werte und Prinzipien von offener Wissenschaft dienen als gemeinsame Referenzpunkte für das Handeln. Sie spielen eine wichtige Rolle für die Umsetzung einer Kulturpraxis der Offenheit in der Wissenschaft (Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, 2017). Um diverse Fachdisziplinen und Forschungskulturen in Berlin zu erreichen, können übergeordnete und wertebasierte Ziele hilfreich sein. Mithilfe gemeinsamer wertebasierter Ziele im Bereich offener Wissenschaft können strategische Maßnahmen einen politischen Wandel besser überdauern (Bärwolff et al., 2023). Dabei ist eine Unterscheidung von soziokulturellen und technischen Zielen sinnvoll: Neben einer offenen Kultur braucht es auch eine offene Infrastruktur.

Transformative Verträge, Publikationsmarkt und Datentracking

Nachdem Verlage Geschäftsmodelle entwickelt haben, um auch mit Open-Access-Publikationen hohe Gewinne zu erzielen, hat sich ein Konsortium auf Bundesebene darum bemüht, wissenschaftsfreundliche Verlagskonditionen zu verhandeln. Über die Max Planck Digital Library Services GmbH (MPDL) hat das DEAL-Konsortium Verträge mit den Großverlagen abgeschlossen: Seit 2019 bestehen Abkommen mit Wiley (Kupferschmidt, 2019), seit 2020 mit Springer Nature (Kieselbach, 2020) und seit 2023 mit Elsevier (Vogel, 2023). Zuletzt hat auch der Großverlag Taylor & Francis in Zusammenarbeit mit einem Verhandlungsteam deutscher Bibliotheken unter dem Dach des Arbeitskreises Forum 13+ einen nationalen Transformationsvertrag abgeschlossen (Buchreport, 2023).

Bis zum Jahr 2021 sind bereits über 50 % des gesamten deutschen wissenschaftlichen Publikationsaufkommens in Zeitschriften der drei größten Verlage Springer Nature, Elsevier und Wiley veröffentlicht worden (Wissenschaftsrat, 2022). Die Umstellung der Finanzierung wissenschaftlicher Zeitschriften vom Subskriptionsmodell hin zu einer auf der Anzahl an publizierten Artikeln basierenden Finanzierung soll möglichst kostenneutral erfolgen, da die Zeitschriften auf ein Open-Access-Modell umstellen und für die Bibliotheken Subskriptionskosten vollständig wegfallen sollen (Pampel et al., 2022). Die an den DEAL-Verträgen beteiligten Einrichtungen zahlen eine sogenannte PAR-fee (Publish-and-Read-Gebühr) und dadurch können die bei ihnen affiliierten Autor*innen in Hybridzeitschriften oder zu rabattierten Article Processing Charges (APC, Artikel-Bearbeitungs-Gebühren) in reinen Open-Access-Zeitschriften veröffentlichen und auch auf Artikel dieser Zeitschriften zugreifen, die nicht frei zugänglich sind (Hochschulrektorenkonferenz, 2019). Laut Wissenschaftsrat soll deutschlandweit eine Kostendeckelung erfolgen, die jedoch auf Einrichtungsebene nicht unbedingt gegeben ist (siehe Finanzierung und Kostentransparenz) (Wissenschaftsrat, 2022).

Allerdings erschienen zwei Jahre nach Abschluss der DEAL-Verträge viele beteiligte Zeitschriften noch in einem hybriden Modus. Das heißt, dass die Verlage in einer Zeitschrift Open-Access-Artikel veröffentlichten und gleichzeitig Subskriptionsgebühren erhoben (Mittermaier, 2021). Eines der Kernziele der DEAL-Transformationsverträge, das umfassende Umstellen von geschlossenen hin zu Open-Access-Zeitschriften (sogenanntes „Flipping“), ist bislang nicht eingetreten (Fischer, 2023).3 Eine Studie von cOAlition S4, zum transformativen Zeitschriften Modell zeigt, das im Jahr 2022 gerade mal 1 % (26 Zeitschriften) der Zeitschriften des Programms (2.326 Titel) vollständig Open Access geworden sind (Kiley, 2023). Auch für die deutschen DEAL-Verträge zeigt sich dieses Bild: „Vom jeweiligen Bestand an Subskriptionszeitschriften im Jahr 2019 wurden bei Wiley bis zum Jahr 2023 3,5 % geflippt und bei Springer Nature 1 %, was eine Umstellung in absehbarer Zeit nicht erwarten lässt“ (Mittermaier, 2023). Nach Aussage von Springer Nature ist davon auszugehen, dass diese Art der Transformation auch gar nicht gewollt ist.5

Immer wieder wird auch die Höhe der PAR-Gebühr von Bibliotheken und Expert*innen als zu hoch kritisiert (Mittermaier, 2022; Borchert & Heinrich, 2021). Im jüngst geschlossenen Vertrag mit Elsevier beträgt die PAR-Gebühr 2.550 Euro im Jahr 2024 mit einem jährlichen Preisanstieg von 3 %.6 Mit einem Gesamtvolumen von 30 Millionen Euro sollen laut DEAL-Konsortium die Kosten geringer ausfallen als bei Abonnements und Bibliothekspaketen (Buchreport, 2023). Es gibt allerdings einen Mangel an empirischen Studieren, die untersuchen, wie die bisherige Transformation durch DEAL verlaufen ist. Laut dem Wissenschaftsrat braucht es für die Beurteilung der Entwicklung noch Forschung erstens zum Anteil der zu Gold-Open-Access-Journalen umgewandelten Hybridzeitschriften, zweitens zum Stand der Etablierung von Informationsbudgets unter Einbeziehung der Mittel aus bisherigen Subskriptionsetats sowie drittens zur Entwicklung der Kosteneffizienz (Wissenschaftsrat, 2022).

Schweden hat allerdings erste Konsequenzen gezogen und empfiehlt dem verhandelnden Konsortium bis 2026 keine Transformationsverträge mehr abzuschließen, in denen Zeitschriften enthalten sind, die Hybrid Open Access ermöglichen. Vorhandene Verträge sollen dahingehend geändert werden. Zudem sollen die Vereinbarungen so gestaltet sein, dass eine Gewinnmaximierung durch große Publikationsmengen vermieden werden kann und kein unkontrolliertes Wachstum der Zahl der Zeitschriften gefördert wird. Stattdessen soll das Flipping bestehender Zeitschriften gefördert werden. Zugleich wird durch die nationale schwedische Expert*innengruppe empfohlen, eine nationale unabhängige Veröffentlichungsplattform bereitzustellen, die auch das Peer Review der veröffentlichten Artikel umfasst (Lundberg, Wiberg, Lundén, & Widmark, 2023).

Aus aktueller Perspektive lässt sich zusammenfassen, dass die Auswirkungen der DEAL-Transformationsstrategie nicht umfassend beurteilt werden können. Zum jetzigen Zeitpunkt ist aber bereits bekannt, dass die Umstellung auf vollständigen Open Access nicht gelingt und insgesamt die Bibliodiversität eher gesunken ist. In einer Studie zum Publikationsverhalten in der Chemie unter den DEAL-Verträgen kurz nach dem Abschluss schlussfolgern die Autor*innen:

Hence, journals covered by the DEAL agreements appear to have a competitive advantage in attracting authors. Given the two-sided market logic that good authors and papers attract readers which in turn attract authors, the competitive advantage of the DEAL agreements may even be underestimated in the short-run (Haucap, Moshgbar, & Schmal, 2021).

Dieser Anreiz kann dazu führen, die Marktdominanz der großen kommerziellen Verlage weiter zu erhöhen. Zugleich werden kleinere Fachverlage benachteiligt. Das eigentliche Problem, die Abhängigkeit der Wissenschaft von den Monopolverlagen, wird mit DEAL nicht gelöst (Knöchelmann, 2021). Ganz im Gegenteil, die DEAL-Verträge fördern keine gerechte offene Wissenschaft, insbesondere nicht für Forschende aus low- and middle-income countries (LMICs) und für unterfinanzierte Forschende in kleineren Einrichtungen sowie in den Sozial- und Geisteswissenschaften (All European Academies, 2021). Hier gilt es auch, die für Open Access vorhandenen Ressourcen effizienter zu nutzen. Da im derzeitigen System praktisch alle Kosten von den Universitätsbibliotheken getragen werden, sind diese für die Forschenden häufig unsichtbar. Wie diese Mittel für Open Access eingesetzt werden, ist allerdings eine Frage, die die ganze Hochschule betrifft. Zum Beispiel könnte davon auch Forschungs- und Lehrpersonal angestellt werden, das Diamond Open Access voranbringt (Lundberg, Wiberg, Lundén, & Widmark, 2023).

Neben den Verlagen im DEAL-Projekt gibt es viele weitere kleine, mittelständische und große Verlage, mit denen Bibliotheken unterschiedliche Vertragsmodelle abschließen. Ein im Diskurs wiederkehrendes Argument für Modelle wie die DEAL-Verträge ist die Abhängigkeit des Wissenschaftssystems von Großverlagen: Forschende könnten demnach aus Karrieregründen nicht auf Veröffentlichungen in den angesehenen Zeitschriften der Großverlage verzichten (Weisweiler, 2021). Die Wahl des Verlags oder einer spezifischen Fachzeitschrift als frei wählbare Publikationsorte ist in vielen Disziplinen entscheidend für den Erwerb von Reputation für die Wissenschaftler*innen. Allerdings wird die Qualität der Forschung durch Wissenschaftler*innen sowohl generiert als auch garantiert, und nicht durch die Verlage. Die historisch gewachsene und systemisch perpetuierte Reputationsökonomie der Verlage wird durch die Marktkonzentration einer Handvoll Großverlage maßgeblich weiter gestärkt. Monopolverlage beeinflussen damit letztlich Karrierewege in der Wissenschaft und damit auch die Vergabe von Forschungsförderungsmitteln (DFG, 2022; Euler, 2019). Die Transformationsverträge des DEAL-Konsortiums bestätigen damit das bestehende Marktgefüge für wissenschaftliche Publikationen und tragen durch ihre Open-Access-Politik zu einer „publish or perish“-Kultur in den Wissenschaften bei. Das heißt, Forschende stehen unter großem Druck, ihre Ergebnisse möglichst zahlreich und in möglichst angesehen Verlagen zu veröffentlichen.

Verlage, die nicht im Rahmen des DEAL-Projekts verhandeln, befürchten die durch DEAL verstärkte Marktmacht der Großverlage und die daraus entstehenden kartellartigen Strukturen auf dem wissenschaftlichen Publikationsmarkt. So hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2016 und 2019 beim Bundeskartellamt Beschwerden gegen DEAL eingelegt. Der Börsenverein, der die wirtschaftlichen Interessen der deutschen Verlagslandschaft vertritt, sah insbesondere kleine und mittelgroße Verlage von DEAL bedroht, da diese nicht in die Verhandlungen eingebunden waren. Die Abkommen wurden nur mit den Großverlagen Wiley, Springer Nature und Elsevier abgeschlossen. Beide Kartellbeschwerden hatten allerdings keinen Erfolg, entsprechende Verfahren wurden nicht eingeleitet (Mittermaier, 2023; Buchreport, 2019).

Zugleich bedienen sich gerade Großverlage der digitalen Möglichkeiten, Nutzungsdaten zu sammeln, zu aggregieren und hinsichtlich bestimmter Fragen auszuwerten (Mills, 2024). Sie sind gut darüber informiert, wie ihre Webseiten genutzt werden, wie sich Nutzer*innen darauf bewegen, welche Informationen sie suchen, welchen Publikationen sie wie lange ihre Aufmerksamkeit widmen, welche Links sie anklicken und so weiter (Siems, 2024). Verschärfend kommt hinzu, dass die Großverlage durch Zukäufe von Software-Unternehmen den wissenschaftlichen Workflow zunehmend in Gänze verfolgen und analysieren können, etwa durch den Zugriff auf protokollierte Messergebnisse, Peer-Review-Verfahren oder sensible Daten (zum Beispiel unveröffentlichte Forschungsergebnisse oder personenbezogene Daten). Diese Vorgänge sind der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, vielen Studierenden und anderen Angehörigen des Hochschulwesens nicht in der Breite bekannt. Es besteht die Gefahr, dass die Wissenschaft durch die Aggregation und Analyse sensibler und sehr feiner Nutzungsdaten ausschließlich von großen Privatunternehmen verfolgt werden kann, wenn die Forschenden sich vorwiegend oder ausschließlich in deren digitalen Umgebungen aufhalten (Kunz, 2022; Lauer, 2022; Siems, 2023). Eine solche Überwachung und Analyse aufgrund von Nutzungsdaten geht weit über das Verständnis von Open Research, das wir in diesem Bericht vertreten, hinaus. Letztlich muss davon ausgegangen werden, dass die genannten Großverlage ähnliche digitale Überwachungsaktivitäten anwenden wie beispielsweise Facebook, Amazon, Microsoft oder andere Digitalkonzerne. Besonders Verlage mit DEAL-Abkommen haben eine Reihe von Diensten erworben oder entwickelt, die auf die Entwicklung einer Integration des gesamten wissenschaftlichen Prozesses abzielen – von der Literatursuche über die Datenerfassung und -analyse bis hin zum Schreiben, Veröffentlichen und der Öffentlichkeitsarbeit; mit dem beunruhigendem Ergebnis, dass diese Daten in der Hand einiger Großverlage liegen, die Öffentlichkeit aber weder Zugriff noch Kontrolle darüber hat (Brembs et al., 2021).

Im Zusammenhang mit der Erhöhung des Publikationsaufkommens der letzten Jahre kann sich die Abhängigkeit der Wissenschaft von wenigen, auf Datenanalyse spezialisierten Großkonzernen zukünftig weiter verschärfen und dabei zu einer sich selbst verstärkenden Spirale führen, wie Renke Siems bemerkt:

Wenn das nächste Paper das wichtigste Movens ist, werden Forschende dem alles andere unterordnen (müssen) und in ihrem digitalen Alltag das verwenden, was einfach nutzbar, potent und verfügbar ist – also Angebote der Hyperscaler oder spezialisierter Data-Analytics-Konzerne. Forschende, die sichere, nachhaltige und souveräne Tools verwenden, ihre Software dokumentieren, ihre Daten aufbereiten und zur Nachnutzung zur Verfügung stellen, werden tendenziell aus dem System verdrängt werden, weil all dies Zeit fürs Publizieren kostet und nicht mit wissenschaftlicher Reputation belohnt wird (Siems, 2024).

Elsevier beispielsweise, so eine eindrückliche Einschätzung von langjährigen Beobachter*innen der Entwicklungen rund um DEAL und das wissenschaftliche Verlagswesen,

hat sein Portfolio in den vergangenen Jahren systematisch um elektronische Laborbücher, Literaturverwaltungssysteme, Autorensysteme, Forschungsinformationssysteme und vieles mehr erweitert. In all diesen Systemen können Daten abfließen, mit denen Echtzeitbilder der Wissenschaft erzeugt werden können (Brembs, Förstner, Müller-Birn, & Dirnagl, 2023).

Auf diese Weise droht die Gefahr der Abhängigkeit von einer durch kommerzielle Interessen getriebenen Infrastruktur, deren Nutzung für die wissenschaftlichen Institutionen selbst nicht mehr kontrollierbar ist, weil sie außerhalb der öffentlichen Hand liegt. Außerdem werden durch eine massive Bündelung und die Analyse von großen Datensätzen grundsätzlich die hohen Güter der wissenschaftlichen Integrität und die Privatsphäre der Forschenden in Frage gestellt, da Rückschlüsse über wissenschaftliche Interessen und Datenverkäufe, etwa an politische Regime oder andere Akteure, möglich werden. Ein Datentracking kann Wissenschaftler*innen einer konkreten und ernsten Gefahr aussetzen.7

Dass die Großverlage dazu in der Lage sind, große finanzielle Summen in den Kauf und die Entwicklung von digitalen Forschungsumgebungen zu investieren, ist auch in der Open-Access-Transformation begründet. Denn die hohen Open-Access-Gebühren, die etwa durch die DEAL-Verträge von den Hochschulbibliotheken an die Verlage fließen, ermöglichen ihnen einen enormen finanziellen Spielraum und die strategische Neuausrichtung vom Verlegen akademischer Texte hin zu „Data Analytics“-Praktiken (Reda, 2022; Pooley, 2023; Lamdan, 2023). Hinzu kommen fehlende vertragliche Klauseln, um das Datentracking der Verlage sowie die nicht mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) konformen Praktiken der Verlage, etwa das Abfließen von Daten zu US-amerikanischen Großkonzernen wie Google oder Facebook, zu unterbinden (Seltmann, Siems, Steyer, & Wuttke, 2023). Unklar ist außerdem, wie eine Zustimmungserfordernis im Sinne der DSGVO gestaltet sein müsste, um zu verhindern, dass Bibliotheken für das Datentracking der Verlage in Mithaftung genommen werden können.8

Offene Infrastrukturen und wissenschaftsgeleitetes Publizieren

Unter offenen Infrastrukturen werden Daten, Protokolle, Standards, Software und Plattformen verstanden, die auf den Prinzipien der offenen Wissenschaft basieren und am Gemeinwohl ausgerichtet sind (Pampel et al., 2024). Sie sind langfristig und nachhaltig für die Allgemeinheit offen zugänglich, nutzbar sowie interoperabel. Hinter dem Konzept offener Infrastrukturen steht der Gedanke der Zusammenarbeit und des Teilens von Ressourcen. So lassen sich die Effizienz der Forschung steigern und redundante Entwicklungen möglichst vermeiden. Im Projekt Invest in Open wird das gemeinsame Ziel des Einsatzes offener Infrastrukturen wie folgt definiert: „[…] empower communities to collectively build the systems and infrastructures that deliver new improved collective benefits without restrictions, and for a healthy global interrelated infrastructure system.“9

Wissenschaft ist ein öffentliches Gut und sollte durch Infrastrukturen unterstützt werden, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft verwaltet und finanziert werden. In der UNESCO Recommendation on Open Science werden die Mitgliedsstaaten der UNESCO beziehungsweise ihre Regierungen, Förderorganisationen und wissenschaftlichen Institutionen entsprechend aufgefordert, öffentliche Mittel in forschungsunterstützende offene Infrastrukturen zu investieren (UNESCO, 2021). In diesem Sinne empfiehlt beispielsweise die DFG den Einsatz von nicht-gewinnorientierten Infrastrukturen beziehungsweise Infrastrukturen, „die durch wissenschaftliche Akteure selbst betrieben werden“ (DFG, 2022), um die digitale Souveränität der Wissenschaft sicherzustellen, so dass Wissenschaftler*innen die Hoheit über ihre Daten (zum Beispiel Nutzungsdaten) behalten. Im Bereich der Forschungsdaten wird dahingehend der Ansatz der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) hervorgehoben, bei der die Governance für Infrastrukturen in öffentlicher Hand liegt (DFG, 2022).

Auch der Rat der EU-Wissenschaftsminister*innen hat sich im Hinblick auf offene Infrastrukturen im Mai 2023 eindeutig positioniert, indem die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission dazu ermutigt werden

interoperable gemeinnützige Infrastrukturen, mittels derer auf der Grundlage quelloffener Software und offener Standards publiziert werden kann, zu fördern und in diese zu investieren, um eine Abhängigkeit von Diensteanbietern und proprietäre Systeme zu vermeiden, und diese Infrastrukturen mit der Europäischen Cloud für offene Wissenschaft zu verbinden (Rat der Europäischen Union, 2023).

Das Konzept der Gemeinwohlorientierung offener Infrastrukturen beinhaltet, dass sich die Gemeinschaft auch selbst über die Prinzipien verständigt. Im internationalen Kontext haben sich dazu bereits vor einigen Jahren mehrere Organisationen zusammengeschlossen und die Principles of Open Scholarly Infrastructures (POSI) formuliert (Bilder, Lin, & Neylon, 2020). Der Ansatz der POSI ist es, dass sich jede Initiative selbst als offene Infrastruktur nach den gemeinschaftlich erstellten Prinzipien bezeichnen kann und die Gemeinschaft die Einhaltung der Prinzipien prüft. Die Prinzipien umfassen Aspekte der Governance und Nachhaltigkeit sowie das Bekenntnis zu größtmöglicher Offenheit. Die Prinzipien der Governance beinhalten unter anderem die Diskriminierungsfreiheit und Inklusivität in Bezug auf die Teilhabe am Aushandlungsprozess.

Die Global Sustainability Coalition for Open Science Services (SCOSS) ist eine 2017 gegründete und von SPARC Europe koordinierte Initiative zur Unterstützung von Infrastrukturen in Wissenschaft und Ausbildung, die offene Wissenschaft ermöglichen und die daher Forschungsförderorganisationen als Basisdienste empfohlen werden sollten. SCOSS ruft im Rahmen jährlicher Förderzyklen zur gemeinschaftlichen Finanzierung von zentralen, kritischen, nicht-profitorientierten Infrastrukturangeboten wie den Verzeichnissen Directory of Open Access Journals (DOAJ) und Directory of Open Access Books (DOAB) auf und gibt Empfehlungen für eine kooperative Beteiligung an diesen Diensten.

Bereits in der Berliner Erklärung wurden für die Selbstarchivierung Repositorien als Publikationsorte benannt, die von akademischen Institutionen, Fachgesellschaften, Regierungseinrichtungen oder anderen etablierten Organisationen betrieben werden. Der Ansatz dahinter war es, dass die Verantwortung dafür, Publikationen uneingeschränkt zugänglich zu machen und zu verbreiten sowie sie langfristig und interoperabel verfügbar zu halten, bei der Wissenschaft beziehungsweise in öffentlicher Hand liegt. Repositorien bilden heute einen wichtigen Baustein in der globalen Publikationsinfrastruktur für offene Wissenschaft. Die Confederation of Open Access Repositories (COAR), hat die Initiative Next Generation Repositories begründet (Rodrigues et al., 2017). Sie verfolgt die Vision von Repositorien und darauf aufbauenden Mehrwertdiensten, die Teil einer verteilten, global vernetzten Infrastruktur für die wissenschaftliche Kommunikation werden und innerhalb der Wissenschaft gemeinschaftlich gesteuert werden.

Neben Repositorien betreiben wissenschaftliche Einrichtungen weitere institutionelle Publikationsinfrastrukturen wie Plattformen für den Betrieb von wissenschaftlichen Journals. In Anlehnung an das im DIAMAS-Projekt entwickelte Organisationsmodell können Publikationsinfrastrukturen in öffentlicher Trägerschaft unter anderem durch ihre dezentralen Strukturen charakterisiert werden (siehe Abbildung 2). Bei den sogenannten „Institutional Publishers and Service Providers“ (IPSPs) können die verschiedenen Verantwortungsbereiche wie die Inhaberschaft, die Steuerung, die wissenschaftliche und redaktionelle Verantwortung oder der Betrieb einer Plattform oder eines Publikationsortes von verschiedenen Akteur*innen übernommen werden und auch externe Dienstleister mit Layout und Satz beauftragt werden.

Abb. 2: The institutional publishing ecosystem, publishing and service providers: scopes and concepts for DIAMAS. Bosman et al., 2022, S. 3: https://zenodo.org/records/7378067.

Wissenschafts- und kulturerbefreundliches Urheberrecht

Im Jahr 2015 bekundete das Land Berlin in der Open-Access-Strategie seine Unterstützung für Verbesserungen des wissenschaftlichen Zweitveröffentlichungsrechts sowie für die Novellierung des Urheberrechtsgesetzes. Dies beinhaltete die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke sowie zusätzlichen Schrankenregelungen für Gedächtnisinstitutionen wie Bibliotheken, Museen, Archive und vergleichbare Einrichtungen (siehe §§ 60a bis 60g UrhG). Letztgenannte Regelungen wurden 2018 als Teil des Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft umgesetzt (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz) (Pachali, 2018).

Generell stellen die Regelungen des Urheberrechtsgesetzes wichtige rechtliche Rahmenbedingungen für wissenschaftliches Publizieren im Allgemeinen und für Open Access im Besonderen dar. Einerseits sichert das Urheberrecht die Integrität von Werk und Autor*in, andererseits eröffnet es die Möglichkeit zur Lizenzvergabe (etwa für freie Lizenzen wie diejenigen von Creative Commons), die für Open Access und Open Research unabdingbar sind. Urheberrechte und freie Lizenzen stehen daher nicht im Widerspruch zueinander.

Das Urheberrecht ist zudem im Kontext von anderen Regelungen und Maßnahmen zu sehen. Es enthält einige Regelungen, die die Open-Access-Transformation speziell für Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen stützen und vorantreiben sollen. 2013 etwa wurde mit der Novellierung des Urheberrechtsgesetzes die Nutzung von verwaisten und vergriffenen Werken, die sowohl für wissenschaftliche wie auch für kulturbezogene Zwecke wichtig sind, sowie das wissenschaftliche Zweitveröffentlichungsrecht (ZVR, siehe § 38 IV UrhG) neu geregelt. In der Open-Access-Strategie des Landes Berlin von 2015 wurde die Unterstützung der Einführung einer Wissenschafts- und Bildungsschranke im Urheberrechtsgesetz verfolgt (Senat von Berlin, 2015). Das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) wurde im Juni 2017 vom Bundestag verabschiedet und trat am 1. März 2018 in Kraft. Positiv hervorzuheben im UrhWissG sind erweiterte Nutzungsfreiheiten in Forschung und Lehre, bei Text- und Data-Mining (verschiedene Analyseverfahren von großen Text- oder Datenkorpora) sowie Erleichterungen für Museen und Archive, ihre Bestände dauerhaft zu sichern und diese zu digitalisieren. Das Land Berlin hat das Gesetz im Bundesrat befürwortet und mitgetragen. Generell gilt, dass rechtliche Rahmenbedingungen kontinuierlich geprüft und rechtliche Hürden, wo vorhanden, abgebaut werden sollen (BMBF, 2018; Kreutzer & Fischer, 2022).

Im Rahmen der 2021 erfolgten Urheberrechtsreform ergaben sich neben der Einführung des – vor allem an digitale Plattformen gerichteten – Urheberrechts-Dienste-Anbieter-Gesetzes (UrhDaG) einige Änderungen im bestehenden Urheberrechtsgesetz. So wurde hier etwa klargestellt, dass die Reproduktionen gemeinfreier Werke (unter anderem alterungsbedingt nicht mehr geschützte Kunstwerke) in jedem Fall gemeinfrei sind und bleiben. Eine andere Änderung betrifft sogenannte „nicht verfügbare Werke“, die nicht mehr über handelsübliche Vertriebswege erhältlich sind, etwa weil der Verlag nicht mehr existiert. Diese dürfen unter bestimmten Umständen und im Rahmen eines rechtlich festgelegten Procederes nun online gestellt werden. Auch neue Regelungen zu den sogenannten „erweiterten Kollektivlizenzen“, die neue Aufgaben für Verwertungsgesellschaften vorsehen, wurden im Zuge der Reform implementiert (Klimpel, 2022).

Das Urheberrecht stellt nicht nur die Grundlage für eine offene Lizenzierung. Es erschwert gerade auf praktischer Ebene auch die wissenschaftliche und kulturelle Arbeit, insbesondere wenn es um die Öffnung von nicht ausschließlich eigenen Inhalten geht. Diese generellen Probleme sind in der Architektur des Urheberrechts historisch bedingt: Ursprünglich regelte das Urheberrecht in erster Linie das Verhältnis von Urheber*innen gegenüber Verlagen und Verwertungsorganisationen; mittlerweile sind mit digitalen Plattformen und Nutzer*innen weitere Akteur*innengruppen mitberücksichtigt. Die vielgestaltige Interessenlage hat zu einer starken Ausdifferenzierung urheberrechtlicher Regelungen geführt, die juristischen Lai*innen eine Übersicht erschweren, aber auch in den Einrichtungen immer wieder ausgelegt, angepasst und organisatorisch implementiert werden müssen. Das bindet bei allen Gruppen Ressourcen, kann zu Unsicherheiten führen und risikoscheues Verhalten der Beteiligten zur Folge haben.

Bezogen auf die Wissenschaft schränken verschiedene gesetzliche Nutzungserlaubnisse den Urheberrechtsschutz zu Gunsten von nachnutzenden Forschenden und Lehrenden grundsätzlich ein (sogenannte „Schranken“). Dazu zählen etwa das Zitatrecht (UrhG § 51), die Regelungen zur Veranschaulichung von Unterricht und Lehre (UrhG § 60a), diejenigen für die Zugänglichmachung von nicht-kommerzieller öffentlicher Forschung (UrhG § 60c) sowie diejenigen für das Text and Data Mining (UrhG § 60d). Dazu kommen die jeweiligen Schranken für Bibliotheken (§ 60e) sowie für Archive, Museen und Bildungseinrichtungen (UrhG § 60f), die den Alltag in den Einrichtungen erleichtern sollen (Kreutzer & Fischer, 2022).

Trotz der neuen gesetzlichen Erlaubnisse führt das Urheberrecht weiterhin zu verschiedenen Problemen in Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen. Beispielsweise haben ein urheberrechtlich geschütztes und nicht frei lizenziertes Bild sowie ein frei lizenzierter Text, der das Bild im Rahmen des Zitatrechts für eine Open-Access-Publikation verwendet, nicht den gleichen lizenzrechtlichen Status. Das erschwert die Nachnutzung und Verbreitung des gewünschten Text-Bild-Zusammenhangs. Lizenz Klärungen und Recherchen für Einzelobjekte wiederum können administrative und monetäre Ressourcen binden oder führen in vielen Fällen sogar nicht einmal zum Erfolg. Die befragten Berliner Einrichtungen berichten in diesem Zusammenhang von diversen Bedingungen und Fällen, die den Öffnungsprozess erschweren oder verhindern.

Das 2013 eingeführte Zweitveröffentlichungsrecht räumt wissenschaftlichen Autor*innen das Recht ein, eigene Textwerke zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung öffentlich zugänglich zu machen (beispielsweise in einem Repositorium) – trotz etwaigen für Verlage eingeräumten exklusiven Nutzungsrechten. Das ZVR enthält allerdings einige Einschränkungen (Pampel, 2013), so dass in der Open-Access-Strategie bereits geurteilt wurde, dass in Bezug auf wissenschaftliche Publikationen „das Hauptproblem des UrhG in seiner Unklarheit und Uneinheitlichkeit“ liegt (Senat von Berlin, 2015). In der Open-Access-Strategie wurde deshalb eine Reform des Urheberrechtsgesetzes angestrebt, um die Einschränkungen des ZVR zu minimieren und es generell wissenschaftsfreundlicher zu gestalten (Senat von Berlin, 2015):

  • Ausweitung des Zweitveröffentlichungsrechts über den Bereich der drittmittelfinanzierten Forschung hinaus auf alle Beschäftigten in der Wissenschaft,

  • eine Verkürzung der Embargofrist für die Ausübung des Zweitveröffentlichungsrechts von 12 auf 6 Monate,

  • die Ausdehnung des Zweitveröffentlichungsrechts auf die Verlagsversion,

  • die Erweiterung des Zweitveröffentlichungsrechts auf Monografien und Sammelwerke.

Seit seiner Einführung sorgt das ZVR in den Hochschulen für Rechtsunsicherheiten, denn auch Kooperationsprojekte zwischen der Wissenschaft und der Industrie sind davon betroffen. Vorbehalte aus der Wissenschaft zeigen sich zudem in einem anhaltenden juristischen Streit, den mehr als ein Dutzend Rechtswissenschaftler*innen der Universität Konstanz gegen das ZVR führen und der mittlerweile seit einigen Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Klärung liegt. Im Kern geht es um die Frage, ob Baden-Württemberg als Bundesland die rechtliche Kompetenz innehat, aus dem Zweitveröffentlichungsrecht eine Zweitveröffentlichungspflicht abzuleiten. 2014 hatte Baden-Württemberg im Landeshochschulgesetz den landeseigenen Universitäten eine solche Zweitveröffentlichungspflicht auferlegt. Daraufhin erließ die Universität Konstanz als deutschlandweit erste Einrichtung eine entsprechende Satzung für ihre Mitglieder. Dagegen regte sich massiver Widerstand aus der juristischen Fakultät, der schließlich im Sommer 2017 als Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht landete und seit Jahren entsprechende Rechtsunsicherheit für Deutschlands Hochschulen und Universitäten mit sich bringt: Außer der Universität Konstanz veröffentlichte bisher keine andere Einrichtung entsprechende Regeln zur Zweitveröffentlichung (Hamann, 2022; Fischer, 2023).

Auch andere institutionelle Regeln können auf die Lizenzierung von urheberrechtlich geschützten Werken Einfluss nehmen. Das zeigt das Beispiel der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW). Die BBAW ist eine fach- und länderübergreifende Vereinigung von Wissenschaftler*innen mit Standorten in Berlin und Potsdam und nimmt eine bedeutende Stellung am Wissenschaftsstandort Berlin ein. An der BBAW werden Verlagsverträge – beispielsweise für Publikationen der „Interdisziplinären Arbeitsgruppen und Initiativen“ – von der Institution geschlossen. Dadurch wird sichergestellt, dass die einfachen Nutzungsrechte bei der BBAW verbleiben. Die nachgeordneten Verträge schließt die BBAW direkt mit den Herausgeber*innen und Autor*innen ab und überträgt ihnen in diesen Verträgen die einfachen Rechte an ihren Publikationen. Ein solches Vorgehen wird auch überwiegend auf Reihen beispielsweise bei De Gruyter angewandt. Diese Konstruktion stellt eine hohe Kontrolle sicher, da die Einrichtung selbst mit den Verlagen verhandelt und kontrahiert, so dass die Prozesse gut optimiert werden können. Standardmäßig wird die liberale Creative-Commons-Lizenz CC BY10 vergeben. Aufgrund der kommerziellen Auswertungsmöglichkeiten wird CC BY in der Institution teilweise kritisch gesehen.

In einer anderen Konstellation kann ein*e Arbeitnehmer*in ein Werk in Erfüllung seiner*ihrer arbeits- oder dienstvertraglichen Pflichten schaffen (man spricht hier von einem sogenannten „Arbeitnehmerwerk“). Zwar fällt auch in einem solchen Fall dem*r Urheber*in das Urheberrecht an dem von ihm*ihr geschaffenen Werk zu; die Rechte zur Veröffentlichung und/oder Verwertung können aber bei dem*der Arbeitgeber*in liegen. Meist sind die Details dazu in den Arbeitsverträgen geregelt (Kreutzer & Fischer, 2023).

Insgesamt ist zu beobachten, dass mit dem Fortschreiten der technologischen Möglichkeiten, der Einbindung von Nutzenden und dem Hinzutreten von neuen professionellen Akteur*innen (zum Beispiel digitale Plattformen) die rechtliche Komplexität ansteigt. Es ist erforderlich, den rechtlichen Rahmen immer wieder aufs Neue auf seine Alltagstauglichkeit hin zu überprüfen und Überlegungen zur Verbesserung zusammenzutragen. Eine solche Diskussion hilft, juristische Vorschläge und Anliegen politisch sichtbar zu machen und in die Debatte einzubringen. 

Um die bessere Auffindbarkeit und Nutzung von Daten der öffentlichen Hand durch die Forschung zu fördern, plant das BMBF ein Forschungsdatengesetz (FDG). Das Gesetz soll unter anderem auch den „Datenschutz forschungsfreundlicher […] und die besonderen Bedürfnisse der Forschung besser […] berücksichtigen“ (BMBF, 2024). Um eine bessere Auffindbarkeit der Daten aus öffentlichen Einrichtungen zu gewährleisten, sollen laut Eckpunktepapier „Metadatenkataloge auf Grundlage klar definierter Metadatenstandards“ geschaffen werden, die über eine zentrale „Metadatenplattform“ durchsuchbar gemacht werden. Weiterhin soll eine zentrale Datentreuhandstelle („Micro Data Center“) geschaffen werden, die den Zugang zu Statistik- und Registerdaten zu Forschungszwecken unter sicheren Voraussetzungen ermöglicht. Der Konsultationsprozess zu diesem Gesetz startete im Jahr 2023; im Jahr 2024 soll sich das Bundeskabinett mit dem Entwurf befassen (BMBF, 2024). Um Daten aus der Gesundheitsversorgung besser für die Forschung nutzbar zu machen, trat im März 2024 das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) in Kraft.

Neben dem formalisierten Rechtsrahmen müssen bei der Zugänglichmachung von digitalen beziehungsweise digitalisierten Kulturdaten häufig wissenschaftsethische Fragen berücksichtigt werden. Deshalb ist es erforderlich, dass zumindest die Bedingungen einer umfassenden und transparenten Dokumentation der Provenienzlinien, der Objektgeschichte sowie der digitalen Objektifizierungsprozesse erfüllt werden, um Offenheit zu gewährleisten. Die Berliner Kulturerbe-Einrichtungen stellen sich auch die Frage, inwieweit westliche und postkoloniale Wissenspraktiken angemessen auf die kulturellen Anforderungen und Besonderheiten der jeweiligen Herkünfte der Objekte eingehen und gegebenenfalls auf Forschung verzichten sollten (Open-Access-Büro Berlin, 2022). Die CARE Principles for Indigenous Data Governance (CARE-Prinzipien)11 können als Orientierung dienen.

Die rechtliche Komplexität bei der Öffnung der Wissenschaftspraxis ist nicht auf das Urheberrecht beschränkt. Über alle Einrichtungen in Wissenschaft und Kulturerbe hinweg bestehen beim Bereitstellen von offenen Publikationen, Kultur- und Forschungsdaten, Software und so weiter rechtliche Unsicherheiten, vor allem hinsichtlich des Urheberrechts, Datenschutzes, Vertragsrechtes und Arbeitsrechtes. Forschende haben daher oft Vorbehalte, eigene Forschungsergebnisse und -daten offen zu teilen und nachhaltig zu sichern. Die große Nachfrage an juristischer Beratung und die Klärung von solchen oftmals komplexen rechtlichen (und ethischen) Fragen seitens der Forschenden können die Einrichtungen häufig nicht bedienen. Denn es ist weder ausreichend Personal für die Unterstützung noch die entsprechende rechtliche Expertise vorhanden. Die Problematik wurde bereits in der Open-Access-Strategie adressiert (Senat von Berlin, 2015) und in die Überlegungen im Rahmen der Landesinitiative Open Research Berlin aufgenommen (Open-Access-Büro Berlin, 2022). In den vergangenen Jahren berichten die Berliner Wissenschafts- und Kulturerbe-Einrichtungen dem Open-Access-Büro Berlin regelmäßig über diese Problematik und den dringenden Bedarf an zentraler rechtlicher Beratung (Fischer, 2023; Fischer, Kindling, & Neufend, 2023; Fischer, Kindling, & Neufend, 2023).

Künstliche Intelligenz und offene Wissenschaft

Technologien der generativen Text- und Bildproduktion wie beispielsweise ChatGPT oder DALL-E, landläufig als „Künstliche Intelligenz“ (KI) bezeichnet, halten in der Wissenschaft verstärkt Einzug. Sie basieren auf der massenhaften Einspeisung von Text- beziehungsweise Bildkorpora (Input-Seite) und dienen dazu, statistische Muster in den Daten zu erkennen sowie auf Grundlage von Selbstlernprozessen und errechneten Wahrscheinlichkeiten neue Inhalte zu schaffen (Output-Seite).12

Aufgrund ihrer neuartigen Anwendungsmöglichkeiten bieten sich auch für Forschende vielfältige Herausforderungen, Chancen und Fragen im Zusammenhang mit Technologien generativer Text- und Bildproduktion, wie etwa das Präsidium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in einer Stellungnahme vom September 2023 hervorhebt (DFG, 2023). Das berührt diverse Themenkomplexe und akademische Konventionen, darunter Urheberrechte und Autor*innenschaft, Daten- und Geheimnisschutz, Begutachtungs-, Bewertungs- und Authentifizierungsprozesse von Daten oder Forschungsergebnissen sowie weitere Praktiken im technologiegestützten Forschungsprozess, beim Erkenntnisgewinn und generell in der schöpferischen Arbeit. Tatsächlich lassen sich die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und Effekte derzeit erst in Umrissen erkennen (zu aktuellen Szenarien der KI-Transformation auf die Arbeitswelt siehe Seemann, 2023).

Von hervorgehobener Bedeutung ist hierbei der Zusammenhang von KI und offenen Daten und Publikationen: Das Bereitstellen und Trainieren der genannten Technologien basiert auf verfügbaren Korpora, die derzeit nicht nur, aber oftmals aus illegalen Schattenbibliotheken oder anderen, urheberrechtlich mindestens zweifelhaften Quellen zusammengeführt werden (Moorstedt, 2023). Je mehr offen lizenzierte Trainingsmaterialien zur Verfügung stünden, desto besser ließen sich KI-Technologien innerhalb eines legalen Rahmens für wissenschafts- und kulturadäquate Zwecke nutzen, testen, weiterentwickeln und zur Anwendungsreife bringen. Das wiederum würde dazu beitragen, die Anforderungen an die rechtlichen Rahmenbedingungen zu präzisieren und anzupassen. Zudem ist es bedeutsam, dass die qualitativ hochwertigen, mit viel Aufwand und unter Verwendung von Steuergeld produzierten, erschlossenen und aufbereiteten Forschungs- und Kulturdaten genutzt und dadurch auch sichtbar werden in KI-generierten Erzeugnissen.

Außerdem ist die Geschlossenheit der Systeme zu nennen, wie etwa von ChatGPT, dem dominierenden large-language models (LLM) der US-amerikanischen Firma OpenAI. Der Quellcode von ChatGPT ist nicht öffentlich einsehbar, so dass nicht ersichtlich wird, wie das System im Detail arbeitet. Open-Source-basierte Systeme könnten hier Abhilfe schaffen und gemeinwohlorientierte Anwendungen befördern, die beispielsweise auf offenen Datensätzen von Kulturerbe-Einrichtungen oder wissenschaftlichen Open-Access-Publikationen beruhen. Vor diesen Hintergründen kommt der Erarbeitung von wissenschafts- und kulturspezifischen Rahmenbedingungen zur offenen Nutzung von KI im Rahmen der zukünftigen Open-Research-Strategie eine hohe Bedeutung zu.

Berlin Universities Publishing (BerlinUP), kürzlich gegründeter Open-Access-Verlag in wissenschaftseigener Infrastruktur (siehe Publikationsplattform/Universitätsverlag), reagiert mit einer im Mai 2024 veröffentlichten Leitlinie auf die derzeitigen Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz (Berlin Universities Publishing, 2024). Die Leitlinie hebt hervor, dass durch KI-Technologien Nutzen wie auch Risiken für die Wissenschaft und das wissenschaftliche Publizieren entstehen (können). Im Wesentlichen adressiert BerlinUP dabei drei Punkte: Zunächst wird klargestellt, dass KI-Technologien, da sie weder natürliche noch juristische Personen sind, keine Autorschaft beziehungsweise Urheberschaft erlangen können. Entsprechend sind etwaige Rechteübertragungen oder Lizenzvereinbarungen nichtig. Der Verlag lehnt daher Einreichungen ab, bei denen KI-Technologien als Autor*innen aufgeführt sind. Damit verbunden fordert BerlinUP in seiner Leitlinie, dass Einreichende den Einsatz von KI-Technologien bei der Erstellung der Inhalte transparent und vollumfänglich offen legen. Genannt werden in diesem Zusammenhang unter anderem Texte, Tabellen, Diagramme oder Bilder, darunter auch nicht zur Veröffentlichung vorgesehene Inhalte oder Paratexte wie Abstracts, Exposés oder interne Kommunikation. Es müsse „klar hervorgehen, welche Inhalte mit KI-Tools erzeugt wurden, welche KI-Tools zum Einsatz kamen und wie die KI-Tools verwendet wurden“, so die Leitlinie. Schließlich erinnert BerlinUP im Kontext von guter wissenschaftlicher Praxis und Plagiaten daran, dass die Verantwortung für die eingereichten, etwaig mit KI erstellten oder angereicherten Inhalte alleine bei den Autor*innen liege.

Ein Berliner Forschungsprojekt, das sich mit ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen im Kontext von Künstlicher Intelligenz und Kulturerbe auseinandersetzt, ist Mensch.Maschine.Kultur (Human.Machine.Culture). Dem Projekt, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert und von der Staatsbibliothek zu Berlin durchgeführt wird, liegt die Idee zugrunde, dass steuerfinanzierte Kulturerbe-Einrichtungen ihre Dienstleistungen und digitalen Produkte wie Bild Digitalisate auch allen zugutekommen lassen sollten – im Fall von Daten soll die Nutzung für den Kultur- und Kreativsektor, die Forschung und natürlich auch die private Nutzung ermöglicht werden. Um die Inhalte maschinell zu verarbeiten, indem zum Beispiel aus Bilddaten Volltexte und strukturelle Informationen gewonnen und diese so nutzbar gemacht werden, werden Verfahren des maschinellen Lernens eingesetzt.

Wissenschafts- und Förderpolitik: Aktuelle Strategien

Offenheit ist im Bereich der öffentlich geförderten Wissenschaft und Forschung im Jahr 2024 auf der Agenda der internationalen Wissenschafts- und Förderpolitik angekommen. Zuletzt haben im April 2024 die Wissenschaftsminister*innen von 45 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD), die „Declaration on Transformative Science, Technology and Innovation Policies for a Sustainable and Inclusive Future“ verabschiedet. In der Erklärung bekennen sich die unterzeichnenden Länder unter anderem zu den Prinzipien und Praktiken offener Wissenschaft:

We commit to promote […] open science principles and practices for data management and stewardship, including the Findability, Accessibility, Interoperability, and Reusability (FAIR) principles and frameworks for ethical data governance, such as the Collective Benefit, Authority to Control, Responsibility, and Ethics (CARE) principles, to facilitate the inclusive production of knowledge and ensure the equitable access to scientific literature and research data from public funding, across disciplines, sectors, and borders, while also respecting privacy, security, statistical confidentiality and ethical considerations (OECD, 2024).

Für Forschende an Berliner Einrichtungen spielt die Förder- und Wissenschaftspolitik einzelner Organisationen im nationalen und internationalen Kontext eine bedeutende Rolle, denn deren Vorgaben müssen im Regelfall durch die Forschenden umgesetzt werden. Das Einwerben von Drittmitteln – also Mittel, die zusätzlich zum regulären Hochschulhaushalt eingeworben werden – wird teilweise als „gute Wissenschaft“ zusätzlich finanziell belohnt und ist für die Karriere in der Wissenschaft unerlässlich (siehe Reform der Forschungsbewertung und Arbeitsbedingungen). Entsprechend sind auch die Einrichtungen aufgefordert, die Umsetzung von Maßnahmen der Forschungsförderer zu unterstützen.

Seit der Verabschiedung der Open-Access-Strategie Berlin hat sich die Zielsetzung der Wissenschafts- und Förderpolitik in Bezug auf das wissenschaftliche Publizieren weiterentwickelt. In den letzten Jahren lässt sich ein klarer Fokus auf die Förderung von nicht-profitorientierten Open-Access-Modellen und -Infrastrukturen beobachten. Zuletzt legte der Rat der Europäischen Kommission im März 2023 Schlussfolgerungen vor, in denen die „Wege des hochwertigen, transparenten, offenen, vertrauenswürdigen und fairen wissenschaftlichen Publizierens“ gefordert werden (Rat der Europäischen Union, 2023). In diesen Schlussfolgerungen wird hervorgehoben, dass das gewinnorientierte Publizieren von Wissenschaft, finanziert durch öffentliche Mittel, untragbar sei. Betont wird zugleich die Notwendigkeit, Open-Access-Publikationsmodelle zu finanzieren, die von öffentlichen Forschungsorganisationen getragen werden (Rat der Europäischen Union, 2023). Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert,

gemeinnützige Open-Access-Modelle des wissenschaftlichen Publizierens in mehreren Formaten in Europa ohne Kosten für Autorinnen und Autoren oder Leserinnen und Lesern zu verstärken und Fahrpläne oder Aktionspläne für eine erhebliche Ausweitung solcher Modelle zu erstellen (Rat der Europäischen Union, 2023).

Eine weitere internationale Koalition veröffentlichte im Jahr 2022 den Action Plan for Diamond Open Access (Ancion, Borrell-Damián, Mounier, Rooryck, & Saenen, 2022). In diesem werden verschiedene Schwerpunkte zur Entwicklung einer nachhaltigen, von der akademischen Gemeinschaft getragenen wissenschaftlichen Kommunikation skizziert. Unter Diamond Open Access wird unter anderem ein Geschäftsmodell verstanden, in dem keine Publikationsgebühren erhoben werden und damit keine Benachteiligungen aufgrund solcher Kosten entstehen können. Das Ziel des Aktionsplans besteht darin, eine weltweite Vereinigung von Diamond-Open-Access-Zeitschriften und -Plattformen zu etablieren, die gemeinsame Prinzipien, Richtlinien und Qualitätsstandards befolgen, dabei jedoch ihre kulturelle, mehrsprachige und fachliche Vielfalt respektieren. Er wurde bereits von über 168 internationalen Organisationen unterzeichnet.13 Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt den Aktionsplan ausdrücklich (DFG, 2022), da weltweit bis zu 29.000 Zeitschriften nach dem Modell des Diamond Open Access betrieben werden, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften (Bosman, Frantsvåg, Kramer, Langlais, & Proudman, 2021). Für Deutschland sind im Directory of Open Access Journals (DOAJ) im Januar 2024 insgesamt 392 Zeitschriften nachgewiesen, von denen 64 %, den Betrieb ohne die Erhebung von APCs sicherstellen (Pampel et al., 2024).

Aus der Initiative heraus ist das EU-geförderte konsortiale Projekt Developing Institutional Open Access publishing Models to Advance Scholarly communication (DIAMAS, 2022–2025) entstanden, an dem 23 Organisationen aus zwölf europäischen Ländern beteiligt sind (Rooryck & Mounier, 2023). DIAMAS legt den Fokus auf institutionelle Publikationsdienste. Im Projekt wurde unter anderem eine Landscape-Studie durchgeführt und es werden Policies und Empfehlungen erarbeitet, um institutionelle Publikationsinfrastrukturen auch global besser zu vernetzen (Agnoloni et al., 2024).

Seit Mitte der 2010er Jahre wächst international der Druck auf wissenschaftliche Verlage durch Initiativen wie der OA2020 (2016) oder der cOAlition S (2018), die eine Transformation zu Open Access zum Standard machen wollen. Die Transformationsinitiative OA2020 wurde 2015 auf der 12. Berlin Open Access Conference an der Max-Planck-Gesellschaft gestartet (Max-Planck-Gesellschaft, 2016) und basierte auf der Annahme, dass im Bereich der Veröffentlichung von Zeitschriften bereits ausreichende finanzielle Ressourcen vorhanden sind, um einen Übergang eines subskriptionsbasierten Systems zu Open Access zu ermöglichen, der zumindest kostenneutral sein wird (Schimmer, Dér, & Campbell, 2021). Diese Annahme wird heute von Vielen in Frage gestellt (Wissenschaftsrat, 2022; Brembs et al., 2023), allerdings sind Fachleute sich einig, dass kein Weg mehr an der Transformation von Subskription zu Open-Access-Modellen vorbei führt. Die Frage ist, wie dieser Weg gestaltet wird.14

Die cOAlition S hat den Plan S verabschiedet, um diesen Weg durch zehn Prinzipien zu gestalten. cOAlition S ist ein Konsortium von Forschungsförderorganisationen, darunter die Europäische Kommission und der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC). Dieses Konsortium hat 2018 die Initiative Plan S ins Leben gerufen und sieht vor, dass die von Forschungsförderern finanzierte Forschung sofort offen zugänglich gemacht wird. Der Plan S wurde 2021 wirksam.

Für die Umsetzung von Plan S gelten 10 Prinzipien, darunter die Lizenzierung mit vorzugsweise der CC BY Lizenz, der Ausschluss von Embargozeiten und keiner Förderung hybrider Open-Access-Artikel. Ein wichtiger Schwerpunkt der Aktivitäten der cOAlition S ist die Rights Retention Strategy. Mit dieser Strategie soll sichergestellt werden, dass Autor*innen die Rechte an ihren Veröffentlichungen behalten und somit unabhängig vom Modell des gewählten Verlags eine Open-Access-Veröffentlichung im Sinne von Plan S möglich wird. Autor*innen vergeben an Verlage dann nur einfache Nutzungsrechte und für die Publikation wird die CC BY Lizenz verpflichtend verwendet. Indem große Forschungsförderer wie beispielsweise der Wellcome Trust ihre Policies an die Prinzipien von cOAlition S anpassen,15 wird diese Strategie der Rechtewahrung zu einem Werkzeug, mit dem aktiv die Verhandlungsmacht der Bibliotheken gestärkt werden kann:

Although rights retention operates within a neoliberal context of market outcomes, it does mark a shift by research institutions (led by policymakers) to a more combative attitude towards commercial publishing models. As the hope fades that article-processing charges will result in a more competitive publishing market, rights retention is perceived as a way to strengthen the hand of libraries when negotiating future publishing deals (Moore, 2023).

Auch in Schweden werden Hochschulen dazu ermutigt, lokale Policies zu verabschieden, die eine Rights Retention Strategy beinhalten. Eine übergreifende nationale Strategie ist die Rückgewinnung der Kontrolle über das wissenschaftliche Publizieren und damit das Eigentum an der eigenen Arbeit. Das derzeitige System beruhe darauf, dass Forschende die Rechte an ihrer eigenen Arbeit abgeben. Diese Regelung kann laut schwedischer Autor*innen geändert werden, indem beispielsweise die Verwendung von CC BY-Lizenzen verpflichtend wird (Lundberg, Wiberg, Lundén, & Widmark, 2023).

Die DFG, die sich als zentrale Selbstverwaltungsorganisation der Wissenschaft in Deutschland versteht, ist kein Mitglied der cOAlition S. Begründet wird dies damit, dass ein Mandat zur Open Access Veröffentlichung von DFG-finanzierter Forschung erstens zu erhöhten Publikationsgebühren führen könne und zweitens seien die vorhandenen Systeme der Leistungsbemessung in der Wissenschaft noch nicht soweit umgebaut, dass eine Verpflichtung zu Open Access realisierbar sei.

Auf Bundesebene hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Open Access als Grundprinzip seit 2016 in der Förderung verankert. Wissenschaftler*innen sollen, sobald sie durch das BMBF geförderte Forschung publizieren möchten, entweder sofort Open Access in Zeitschriften beziehungsweise Büchern veröffentlichen oder später Open Access in Repositorien. Beide Wege werden als gleichwertig anerkannt und politisch gefördert (BMBF, 2016), allerdings ist keine Evaluation bekannt zu dieser Vorgabe, die nicht verpflichtend ist.

Die Kommerzialisierung von Open Access wird allerdings weiterhin als Problem erkannt. In den Leitlinien von Bund und Ländern zu Open Access wollen Bund und Länder „der zentralen wissenschaftspolitischen Bedeutung von Open Access Rechnung“ tragen und ermutigen unter anderem dazu der „immer stärkeren Kommerzialisierung von öffentlich finanzierten wissenschaftlichen Publikationen“ etwas entgegenzusetzen (BMBF, 2023). Diese Perspektive stimmt mit den Empfehlungen zur Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access des Wissenschaftsrats überein (Wissenschaftsrat, 2022). Auch dieser verweist auf zunehmend untragbare Kosten für Publikationsgebühren und die notwendige Stärkung von wissenschaftlichen Einrichtungen als Publikationsdienstleister, denn dadurch könne „die Innovationsfähigkeit, Kostentransparenz und Kosteneffizienz des Publikationssystems“ deutlich verbessert werden (Wissenschaftsrat, 2022). Insbesondere wird die nachhaltige und dauerhafte Finanzierung von Diamond Open Access gefordert (Wissenschaftsrat, 2022). Die aktuell von der DFG ausgeschriebene Servicestelle zur Weiterentwicklung und Konsolidierung der Diamond-Open-Access-Landschaft in Deutschland greift diese Vorhaben mit einer Projektförderung auf. Mit einem Gesamtfördervolumen von 9 Millionen Euro und einer Laufzeit von insgesamt sechs Jahren unterstreicht die DFG ihre Vision von „einem qualitativ hochwertigen, national wie weltweit besser vernetzten, fachlich differenzierten und effizienten System von Open-Access-Publikationskanälen“, das die Leistungsfähigkeit der deutschen Wissenschaft insgesamt erhöhen kann (DFG, 2024).

Wissenschaftspolitisch haben in den letzten Jahren der langfristige Zugang zu Forschungsdaten und die Ermöglichung ihrer Nachnutzung national und international an Bedeutung gewonnen. Die „Etablierung einer Datenkultur in Bildung, Wissenschaft und Forschung“ wird als eine „zentrale Aufgabe der kommenden Jahre“ beschrieben (BMBF, 2020). Zuletzt erklärten etwa die Wissenschaftsministerien der G7-Staaten, dass der unmittelbare, offene Zugang zu Forschungsdaten im Kontext von Open Research unter anderem zur Entwicklung von Lösungen für globale Herausforderungen beiträgt (G7 Science, 2023).

Im Bereich Forschungsdaten war der Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) durch einen Beschluss der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern im Jahr 2018 zentral. Sie wird seit 2019 bis 2028 mit einer jährlichen Fördersumme von bis zu 90 Millionen Euro unterstützt. Mit der NFDI wird das Ziel verfolgt, wissenschaftliche Datensammlungen, die bislang dezentral und im Rahmen von Projekten zeitlich begrenzt verfügbar waren, systematisch zu erschließen, international zu vernetzen und nachhaltig nach den FAIR-Prinzipien bereitzustellen, das heißt „Findable, Accessible, Interoperable und Reusable“ – also auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar (Wilkinson et al., 2016). Die NFDI baut so einen digitalen Wissensspeicher auf, der als unerlässliche Grundlage für neue Forschungsfragen, Erkenntnisse und Innovationen dient. Sie soll dabei anschlussfähig an internationale und europäische Entwicklungen wie die European Open Science Cloud (EOSC) sein (GWK, 2018). Die Konsortien sind interdisziplinär angelegt und bilden die Breite der Wissenschaftsdisziplinen ab. Die NFDI wird zu 90 % vom Bund und zu 10 % von den Ländern finanziert (GWK, 2018). Die Koordination der Konsortien übernimmt der NFDI-Verein. Anhand der NFDI zeigt sich, wie der wissenschaftsgeleitete Aufbau von Strukturen und Kompetenzen auf der Basis offener Infrastrukturen in öffentlicher Hand erfolgreich umgesetzt werden kann.

Reform der Forschungsbewertung

Um die Vielfalt der Forschungskulturen zu bewahren und die Vielfalt der Publikationskulturen zu fördern, bedarf es eines Systemwechsels, der die Abkehr von bestehenden, fest etablierten Kriterien für die Forschungsbewertung forciert. Einen wichtigen Impuls dafür stellt die bereits 2012 verabschiedete San Francisco Declaration on Research Assessment (DORA) dar. Die Erklärung wurde inzwischen von mehr als 21.500 Personen und über 3.100 Forschungsorganisationen weltweit unterzeichnet (darunter auch die DFG). Die Erklärung richtet sich an unterschiedliche Stakeholder, hinterfragt die gängigen Praktiken der Forschungsbewertung und fördert unter anderem die kritische Auseinandersetzung mit dem Journal Impact Factor (JIF) bei der Bewertung wissenschaftlicher Qualität. Sie formuliert innovative Alternativen, die unter anderem Transparenz und Gerechtigkeit bei der Evaluation fördern. Die Technische Universität Berlin (TU Berlin) hat 2021 als bisher einzige Berliner Hochschule die Erklärung unterzeichnet.16

Das DFG-Positionspapier „Wissenschaftliches Publizieren als Grundlage und Gestaltungsfeld der Wissenschaftsbewertung“ (2022) veranschaulicht eindrucksvoll die Verflechtung von Reputation, Qualitätssicherung, Marktkonzentration der Verlage und Fachkultur im deutschen Wissenschaftssystem (DFG, 2022). Auch der Bund und die Länder haben in ihren Leitlinien zu Open Access deutlich gemacht, dass sie die Bestrebungen unterstützen, die Forschungsbewertung weiterzuentwickeln. Betont wird dort, dass „im Rahmen von Evaluationsprozessen die Bewertung der Inhalte einzelner Artikel der pauschalen Qualifizierung der diese Forschung publizierenden Zeitschriften vorgezogen werden“ sollen (BMBF, 2023). Eine verantwortungsvolle Forschungsbewertung sollte sich demnach an einer inhaltlichen Beurteilung wissenschaftlicher Ergebnisse orientieren.

Eine wichtige aktuelle Initiative dahingehend ist die Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA). Sie hat im Jahr 2022 das Agreement on Reforming Research Assessment initiiert, welches eine gemeinsame Richtung für Veränderungen in der Bewertungspraxis für Forschung, Forschende und forschende Einrichtungen vorgibt und Grundsätze, Verpflichtungen und einen Zeitrahmen für die Reformen enthält. 2023 wurde das CoARA Agreement vom Exzellenzverbund Berlin University Alliance (BUA, siehe Berliner Einrichtungen in Forschungsverbünden) unterzeichnet, das heißt die Freie Universität Berlin (FU Berlin), die Humboldt-Universität zu Berlin (HU Berlin), die Technische Universität Berlin und die Charité - Universitätsmedizin Berlin (im Folgenden Charité) haben sich dazu verpflichtet, gemeinsam einen Kulturwandel in der Forschungsbewertung zu verfolgen. Während die DORA Declaration sich im Punkt Offenheit noch vor allem auf den freien Zugang zu Kennzahlen bezieht, nimmt das CoARA Agreement Bezug auf die Möglichkeit, die vielfältigen Praktiken offener Wissenschaft bei der Evaluation zu berücksichtigen (Coalition for Advancing Research Assessment, 2022).

Das Monitoring kann auch als eine Grundlage für die Steuerung von Maßnahmen, zur Forschungsevaluation und Incentivierung offener Wissenschaftspraxis genutzt werden. Dafür ist wichtig, welche Indikatoren betrachtet werden und wie dies umgesetzt wird. Um dem Ziel gerecht zu werden, die Forschungsbewertung weniger auf quantitative Indikatoren auszurichten (DFG, 2022), sondern die Qualität von Wissenschaft und den Entwicklungsprozess in den Fokus zu nehmen, rückt auch für das Monitoring die Entwicklung entsprechender Indikatoren in den Fokus. Die Diskussion dazu, wie das konkret ausgestaltet werden kann, ist allerdings bislang noch am Anfang. Ein Ansatz ist es, im Sinne des Konzepts von Open Research nicht nur die Ergebnisse von Forschung, sondern den gesamten Forschungsprozess in den Blick zu nehmen. Neben Publikationsdaten können daher auch weitere Informationen über Forschungsaktivitäten wie zu Projekten, Kooperationen, Patenten, Preisen oder zur Betreuung von Promotionen umfassen (Forschungsinformationen). Um das Monitoring angemessen, verantwortungsvoll und transparent umzusetzen, werden derzeit durch verschiedene weltweite Initiativen Indikatoren erprobt und gemeinsame Kriterien entwickelt.17

Offene Wissenschaft und die Arbeitsbedingungen von Wissenschaftler*innen

Die aufgeführten Maßnahmen und Entwicklungen treffen auf vielerorts prekäre Arbeitsbedingungen in Wissenschafts- wie auch in Kulturerbe-Einrichtungen. Vorrangig sind als Probleme die ausufernde Befristungspraxis bei Arbeitsverträgen (etwa im Rahmen des Wissenschafts-Zeitvertrags-Gesetzes, WissZeitVG),18 die zunehmende Abhängigkeit der deutschen Forschung von zeitlich befristeten Drittmittelförderungen, zu niedrig bemessene Stellenanteile oder Einstufungen, übermäßige Arbeitsbelastungen, akzeptierte Phasen von Arbeitslosigkeit sowie teils mehrfache Abhängigkeitsverhältnisse zu nennen (Bahr, Eichhorn, & Kubon, 2022). Nach dem traditionell orientierten Lehrstuhl-Prinzip in vielen Disziplinen in Deutschland ist es gang und gäbe, dass ein*e am Lehrstuhl angestellte*r Doktorand*in eine*n Professor*in zur Vorgesetzten hat, die seine*ihre Anstellung über befristete Arbeitsverträge verantwortet und gleichzeitig seine*ihre Dissertation betreut sowie begutachtet. Aus einer solchen Konstellation gehen problematische Abhängigkeiten im beruflichen Umfeld hervor. Besonders für Beschäftigte auf Predoc- und Postdoc-Ebene, für die das WissZeitVG in der Mehrheit der Fälle die arbeitsrechtliche Grundlage darstellt, sind die genannten Probleme Alltag. Eine sichere berufliche Perspektive erreichen die meisten in Deutschland beschäftigen Forschenden erst jenseits des 40. Lebensjahr, falls sie eine der begehrten unbefristeten Stellen als Professor*in oder Wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in erhalten. Auf befristeten Stellen besteht für sie immer das Risiko, nicht mehr weiterbeschäftigt zu werden.

Für viele sind die Publikation der eigenen Arbeitsergebnisse in reputierten Publikationsorganen oder die Beantragung von Drittmittel-geförderten Projekten der aussichtsreichste Weg, um die Chance zu haben, dauerhaft im deutschen Wissenschaftssystem zu bleiben. Das führt in der Breite allerdings zu einer Erosion des Qualifikationsbegriffs sowie zu einer Anforderungsinflation, und damit zu weiteren Tätigkeiten und Aufgaben, zu deren Übernahme sich befristet Beschäftigte gezwungen sehen. Außerdem trägt die Situation maßgeblich zur Erhöhung des Publikationsaufkommens und der Drittmittelabhängigkeit bei: Ein Anfang 2023 erschienenes Positionspapier des Wissenschaftsrats beziffert das derzeitige Verhältnis von Grund- und Drittmittelfinanzierung wie folgt: Zwischen 2010 und 2020 bewegte sich die Grundfinanzierung im Rahmen von lediglich 51 % bis 55 %, die Drittmittel finanzierten zwischen 45 % und 50 %, also knapp die Hälfte der Forschungsleistungen (Wissenschaftsrat, 2023).19

In Berlin wird mit der 2021 verabschiedeten Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) versucht, die Arbeitsbedingungen zumindest für PostDocs zu verbessern und die Grundlage für mehr unbefristete Stellen jenseits der Professur zu schaffen. Das BerlHG sieht in § 110 demnach die sogenannte Anschlusszusage vor: Promovierte Forschende können unter bestimmten Bedingungen und nach Erfüllung vorab festgelegter Leistungen eine unbefristete Stelle erlangen. Allerdings soll die Regelung erst ab April 2025 gelten.20 Neben dieser gesetzlichen Neuregelung auf Landesebene haben die Universitäten bereits jetzt auf Grundlage des WissZeitVG die Möglichkeit, Dauerstellen nach dem Department-Modell einzurichten und damit eine Alternative zum Lehrstuhl-Prinzip zu schaffen. Dazu müssen die Inhaber*innen der Lehrstühle bereit sein, die ihnen zugeordneten Mittel für Personalstellen für ein Pooling zur Verfügung zu stellen. Das Institut für Philosophie der HU Berlin verkündete 2023, ein solches Department-Modell umzusetzen. Fünf der vormals neun befristeten PostDoc-Stellen sollen in drei unbefristete PostDoc- und zwei Juniorprofessuren mit Option auf Weiterführung in unbefristete Professuren („tenure track“) umgewandelt werden (Murašov, 2023).

Es besteht die Gefahr, dass die Open-Research-Transformation auf dem Rücken bereits stark belasteter und sich in kompetitiven Umgebungen befindender Forschenden ausgetragen und damit letztlich individualisiert wird (Hostler, 2023). Um dem langfristig entgegenzuwirken, muss das Thema Open Research innerhalb der Institutionen strukturell verankert und mit der Anerkennung von Arbeitsleistungen honoriert werden. Im Landscape Report des Verbundprojektes Open4DE (siehe Open-Access-Büro Berlin) wurde beispielsweise für eine Nationale Open-Access-Strategie die Empfehlung gegeben, im Anschluss an die UNESCO Empfehlung eine gemeinsame Grundsatzdiskussion in Hinblick auf die Stellenbeschreibungen von Wissenschaftler*innen zu erarbeiten und offene Wissenschaft zukünftig als Arbeitsfeld der Wissenschaft regulierend zu verankern (Bärwolff et al., 2023).

*Titelbild: Foto von Kimberly Farmer auf Unsplash.

Comments
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Maxi Kindling:

Darüber hinaus einzelne Einrichtungen hier auch separat aufführen

Evgeny Bobrov:

Es erscheint mir zum jetzigen Zeitpunkt zu früh zu sagen, ob die NFDI ein Positivbeispiel ist. Dass es positive Effekte gibt, ist sicherlich unstrittig, aber bei einem Budget von 600 Mio € muss das Ergebnis umfassend und durchgreifend sein, und das sehe ich bisher nicht. Das ist auch in Ordnung, da das Konstrukt noch vergleichweise neu ist, aber ob es ein Erfolg ist, muss sich wie gesagt m.E. noch zeigen.