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Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens (Version 1.0)

Arbeitsfassung der Thesen zur Kommentierung

Published onSep 19, 2023
Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens (Version 1.0)
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Hintergrund

Auf der Satelliten-Konferenz "Wissenschaftsgeleitetes Open-Access-Publizieren" zu den Open-Access-Tagen 2023 wurden am 26.09.2023 am Institut für Bibliotheks- und Informations­wissen­schaft (IBI) der Humboldt-Universität zu Berlin aktuelle Herausforderungen für Publikationsinfrastrukturen in akademischer Trägerschaft diskutiert. Vorliegende Thesen wurden von den Mitgliedern des Programmkomitees im Vorfeld der Konferenz in einer Version 1.0 erarbeitet und zur Kommentierung verfügbar gemacht. Sie wurden vor, während und nach der Konferenz diskutiert.

Die vorliegende zweite Fassung der Thesen ist als Synthese der Diskussionen im Programmkomitee sowie der Rückmeldungen aus der Community zu verstehen. Sie stellen einen Konsens des Programmkomitees, aber keine abschließende Positionierung zum Thema dar, sondern sind eine Bestandsaufnahme im Jahr 2023.

These 1: Die strategische Leerstelle überwinden

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen bedürfen der Unterstützung durch eine übergreifende, groß angelegte Strategie seitens der Forschungsförderung und der Infrastrukturen. Nur eine öffentlichkeitswirksame Initiative kann die wissenschaftspolitische Unterstützung und die nötigen Finanzierungszusagen gewährleisten und damit die digitale Souveränität in der Wissenschaft stärken.

These 2: Diversität der Finanzierungs- und Geschäftsmodelle anerkennen

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen bedürfen je nach (fachlicher) Community unterschiedlicher Finanzierungs- und Geschäftsmodelle, um den Anforderungen der jeweiligen (Fach-)Communities zu entsprechen. Dabei sollen größtmögliche Kosten- und Leistungstransparenz leitend sein.

These 3: Bibliotheken als Publikationsdienstleister stärken

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen bedürfen eines professionellen Betriebs. Wissenschaftliche Bibliotheken sind aufgrund der vielfach auf- und ausgebauten Services, Expertisen und der engen Vernetzung untereinander besonders geeignet, eine aktive Rolle als Publikationsdienstleister für die Wissenschaft einzunehmen. Publikationsinfrastrukturen an Bibliotheken sollten systematisch ausgebaut werden.

These 4: Qualität sichern, Standards anwenden 

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen (wie Zeitschriften) sind gefordert, die inhaltliche Qualität der Publikationen mit den anerkannten Verfahren der Qualitätssicherung im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis sicherzustellen. Die Sicherung der formalen und technischen Qualität sollte durch die Anwendung von Standards des offenen Publizierens für Publikationen und Prozesse umgesetzt werden.

These 5: Zusammenarbeit mit Fachcommunities stärken

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen bedürfen einer starken Verankerung in wissenschaftlichen Fachcommunities und ihren Organisationsstrukturen, z. B. über Fachgesellschaften. Die Kooperation ist partizipativ zu gestalten, wobei die Publikationsinfrastrukturen autonom bleiben müssen. Dabei sind Bibliotheken gefordert, deutlich stärker mit Fachcommunities zu interagieren und Dienstleistungen für die Wissenschaft proaktiv zu gestalten.

These 6: Experimente und Innovationen fördern

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen haben das Potenzial, wissenschaftliches Publizieren innovativ zu gestalten. Die ergebnisoffene Erprobung neuer Publikationsformate und die Weiterentwicklung von Prozessen, Standards und Kooperationen ist zu fördern.

These 7: Nachhaltigkeit sicherstellen

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen bedürfen nachhaltiger Finanzierungs- und Geschäftsmodelle. Die Publikationsinfrastrukturen benötigen neben einer klaren organisatorischen Einbindung ein präzise definiertes Leitbild und das Commitment der Trägerorganisation. Darüber hinaus gilt es, auch die technische und rechtliche Nachhaltigkeit der Infrastrukturen und ihrer Publikationen unter Nutzung von offenen Standards und offenen Lizenzen zu fördern.

These 8: Infrastrukturen am Gemeinwohl orientieren 

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen sollten gemeinwohlorientiert agieren und ihre Aktivitäten auf der Basis der Prinzipien und Werte in der UNESCO Recommendation on Open Science gestalten.

These 9: Neue Kooperationen eingehen

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen sollten neue Kooperationsmodelle verfolgen und über institutionelle und nationale Grenzen hinweg agieren, damit ihre Sichtbarkeit und die ihrer Publikationen steigen. Auch Kooperationen mit externen Dienstleistern können sinnvoll sein, wenn die Governance im Sinne der Wissenschaft gesichert ist.

These 10: Offene Wissenschaft umsetzen

Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen sollten das Publizieren von Texten, Daten, Software und weiteren Materialien ermöglichen und die Anerkennung von Open-Science-Praktiken bei der Forschungsevaluation unterstützen. Hierzu müssen sie, wenn immer möglich, offen und interoperabel betrieben werden und publizierte Texte, Daten, Software maschinenlesbar und nachhaltig bereitstellen.

Connections
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Comments
67
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Michael Geuenich:

Die Einhaltung von Qualitätsstandards und die Orientierung an der GWP sind m.E. nicht nur für Diamond OA relevant, sondern sollten allgemein handlungsleitend sein.

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Michael Geuenich:

In den Thesen fehlt mir noch der Punkt “Reputation/Research Assessment” (könnte unter These 1 oder 7 passen).
Betrifft die externe Reputation (Wertschätzung innerhalb des Wissenschaftssystems, Begutachtungen, Berufungen, Evaluationen etc.), aber auch die ‚interne‘ Reputation – also das Bewusstsein von Hochschulleitungen und damit verbunden auch die Sicherung von nachhaltigen Finanzierungsstrukturen durch Haushaltsmittel.

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Michael Geuenich:

Erscheint mir noch etwas unkonkret. Ist damit auch an Strukturen wie die ‘Capacity Centres’ des Diamond OA Action Plan gedacht? An welche Kooperationen wurde dabei genau gedacht? Soll es eher in Richtung zentrale oder eher in Richtung dezentrale Strukturen gehen?

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Michael Geuenich:

Wer sind hier die Akteur:innen? Wer sollte diese Initiative anführen (Wissenschaftler:innen, Fachgesellschaften, DFG,…)? Wer muss noch überzeugt werden - und wer könnte als Testimonial/Best-Practice-Beispiel mit Anziehungskraft dienen?

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Robert Huber:

Leider fehlt bei den Thesen einer zum Thema ‘Vertrauenswürdigkeit’. Das entsteht ja leider nicht von selbst aus irgendeiner Art von Selbstorganisation heraus.

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Robert Huber:

wenn hier FAIR erwähnt wird, dann sollte hier auch TRUST und CARE erwähnt werden.

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Robert Huber:

Das ist etwas verwirrend im Kontext mit der zuvor erwähnten akademischer Trägerschaft.

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Robert Huber:

Weiter oben sind die Organisationsmodelle offener formuliert. Wenn das aber das Ziel ist, sollte das nicht erst hier auftauchen.

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Robert Huber:

Weiter oben klingt das aber eher so, als ob das Wohl der wissenschafltlichen Community im Vordergrund stünde. Vielleicht kann man die These nach oben verschieben, damit das als Ergänzung klarer wird?

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Robert Huber:

Hier sollten auch ‘faire’ Finanzierungsmodelle gefordert werden. Vielleicht auch die Abkehr von profitorientierten Geschäftsmodellen?

Toby Steiner:

+1

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Robert Huber:

Das widerspricht ein wenig den vorherigen Thesen aus denen man den Eindruck gewinnt diese Infrastrukturen sollen ausschließlich den Bedarfen der Communities genügen. Vielleicht könnte man die These ein bisschen nach oben schieben?

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Robert Huber:

Ziemlich viel Imperativ ;)

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Robert Huber:

Mit welchem Ziel? Vielleicht könnte man das noch genauer formulieren.

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Robert Huber:

Gleichzeitig ist aber auch unbedingt auf die Unabhängigkeit der Publikationsinfrastrukturen zu achten um gewisse minimale Qualitätsansprüche zu bewahren!

Wir sehen ja gerade am Beispiel der gegenwärtigen Flut an ‘special issues’ wozu Selbstverwaltung führen kann.

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Robert Huber:

Gemeinsame rein formale und technische Qualitätsstandards sind imo nicht ausreichend wenn es keine gemeinsame Auffassung zur inhaltlichen Qualität gibt.

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Robert Huber:

Diese Standards könnten theoretisch aber recht niedrig sein. Was ist, wenn einzelne Communities ganz auf zB. peer-review oder andere QC Verfahren verzichten wollen?

Ich finde hier sollte man sich nicht so einfach aus der Verantwortung ziehen. Genau an der Stelle sollten Publikationsinfrastrukturen vielmehr fachübergreifende und community-unabhängige Qualitätsstandards formulieren und umsetzen.

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Robert Huber:

Von außen betrachtet wirken die Bibliotheken in dem Geschäft eher als Beauftragte einer ungeliebten Notlösung weil die kommerziellen Anbieter zu teuer geworden sind.

Man könnte auch dafür plädieren echt unabhängige Infrastrukturen für neue Publikationsplattformen aufzubauen.

Die Bibliotheken können helfen diese auf den Weg zu bringen aber sie sollten vielleicht besser nicht in die Rolle von Verlagen schlüpfen.

Toby Steiner:

Wichtiger Punkt - viele der mittlerweile zentralen Infrastrukturanbieter wie Crossref, ORCID, DOAJ, DOAB/OAPEN, PKP, etc. habe gerade aus diesem Grund - Unabhängigkeit - eigene institutionelle not-for-profit Organisationsformen gewählt.

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Robert Huber:

Ist das so? Wenn ja sollte das begründet werden. So ist das ziemlich dünn.. Ich denke aber bei genau dem Punkt sind die Modelle doch meistens sehr ähnlich.

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Robert Huber:

Geht es also um die Reduzierung von Abhängigkeiten von zB. kommerziellen Anbietern und deren Geschäftsmodellen? Fände ich gut, nur müsste das konkret benannt werden.

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Robert Huber:

Diese ‘Leerstelle’ sollte aber auch benannt werden. Im Grunde fehlt dem Text die Problemstellung. Vielleicht sollte dazu noch ein kurzer Abschnitt eingefügt werden

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Robert Huber:

Diese Definition ist vielleicht etwas weit gefasst. Im Grunde schließt das auch über Editoren organisiertes Publizieren auf kommerziellen Plattformen mit ein. Ist das so gewollt?

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Philipp Zumstein:

Die Formulierung der These scheint mir hier noch verbesserungsfähig zu sein (sowohl Titel wie auch der Text selbst). Wieso muss man etwas als Paradigma umsetzen? Geht es wirklich um das Umsetzen oder kann man nicht nur an der Stelle etwas “ermöglichken”? Neben den Endprodukten von Forschung wie Texte, Daten und Software beinhaltet Open Science auch das Öffnen und transparent machen des gesamten Forschungsprozesses. In dem Sinne gibt es auch schon lange Prerprints/Working Papers. Ebenfalls etablieren sich m.E. Präregistrierung und registrierter Bericht mit den verschiedenen Phasen immer stärker in empirischen Forschungsgebieten. Dahingegen ist FAIR häufig ein komplementärer Ansatz zu Open Science und nachhaltig kann irgendwie alles bedeuten.

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Philipp Zumstein:

Bezug? - FAIR passt eigentlich nur bei Daten und maschinenlesbar sollten wahrscheinlich die Metadaten sein, aber offen kann sich auf verschiedenes beziehen (auch die Infrstrukturen selbst) und ist hier etwas schwammig.

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Philipp Zumstein:

Sollte die Governance nicht losgelöst von den finanziellen Aspekten betrachtet werden?

Toby Steiner:

großes +1 dazu von meiner Seite :)

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Philipp Zumstein:

Formulierung scheint mir hier etwas holprig/unklar. Evt. einfach “wissenschaftliche Community” stattdessen verwenden, aber man sollte dann immer noch die dahinterliegenden Werte miterwähnen, da ansonsten auch kommerzielle Verlage einfach behaupten können, dass sie Teil dieser Community sind.

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Philipp Zumstein:

Mir erscheint die Governance und damit verbunden Fragen wie etwa wer über die Rahmenbedingungen eines Publikationsorgans entscheiden kann oder wem eine Zeitschrift (bzw. Zeitschriftentitel) im Endeffekt gehört, sehr relevant. Ich fürchte etwas, dass die Andeutungen hier am Anfang dazu dann eher etwas untergehen und in den Thesen selbst kommt leider der Aspekt dann nicht mehr (deutlich) vor.

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Philipp Zumstein:

“wurden”

Aber ich finde den Start hier insgesamt etwas irreführend, da die Thesen ja gerade im Vorfeld der Konferenz entstanden sind von einer Handvoll Leute und bei der Konferenz nur etwas weiter diskutiert wurden. Vielleicht kann man dies noch klarer und von Anfang so herausarbeiten.

Toby Steiner:

Evtl. auch klarer ziehen, was mit “-infrastrukturen” in diesem Kontext gemeint ist.

Geht es primär um bibliotheksbetriebene Dienste, oder wird “Infra” hier im weiteren Sinne als “alle Publikationsdienstleistenden”, also auch Verlage sowie Basisinfras wie DOAJ, Crossref, DOAB, etc. ?

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Ben Kaden:

allgemeine ergänzende Frage aus dem Publikum: Wie kommen wir hierzu mit den Leitungsebenen ins Gespräch.

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Ben Kaden:

Aus dem Publikum: Wichtig sind auch Lösungen für interdisziplinäre Projekte. Es gibt dahingehend eine Förderleerstelle. Ohne Ressourcen nützt eine Policy gar nichts.

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Michael Geuenich:

Ergänzend dazu: Auch wenn Fachcommunities nicht äquivalent zu Fachgesellschaften ist, entgeht interdisziplinären Journals die Möglichkeit einer Finanzierung durch eine Fachgesellschaft.

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Ben Kaden:

Einwurf aus dem Publikum: Es klingt fast so, als sollte man von “bibliotheksgeleiteten Publizieren” sprechen.

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Philipp Zumstein:

Zumindest erscheint es mir, dass sich die Thesen jetzt vorwiegend Bibliotheksmenschen überlegt haben und auch in unseren Kreisen weiter diskutiert wurde.

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Ben Kaden:

Aus der Diskussion: Ggfs. auch konkret Fachgesellschaften als institutionelle Bindeglieder zu den Fachcommunities berücksichtigen / erwähnen.

Toby Steiner:

was bedeutet “in akademischer Trägerschaft”? Diese Spezifizierung droht, schnell problematisch zu werden, weil sie eigenständige not-for-profit/nonprofit Ausgründungen (wie beispielsweise OAPEN, Crossref, Open Book Collective, Thoth Open Metadata, PKP, etc. pp.) - vermutlich ungewollt - exkludiert.

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Ben Kaden:

Aus der Diskussion: Wer kann hier der Akteur sein?

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Ben Kaden:

Anmerkung aus der Diskussion: Es gibt durchaus auch eine Konkurrenz zwischen den Einrichtungen, die an dieser Stelle berücksichtigt werden sollte.

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Ben Kaden:

Anmerkung aus der Diskussion: Die Thesen könnten konsequenter auf das eigentliche wissenschaftsgeleitete Publizieren zugeschnitten werden.

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Ben Kaden:

Die Diskussion und die Parallellektüre mit den UNESCO-Empfehlungen zeigt einen erheblichen Interpretationsspielraum. Hierüber sollten wir als Autor*innen noch einmal grundsätzlich sprechen. Wir stark können / sollten wie konkretisieren? Wie abstrakt wollen wir es halten?

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Ben Kaden:

Können die Infrastrukturen die Anerkennung unterstützen? Oder ist es nicht eher eine Frage institutioneller oder fachkultureller Policies / Ansprüche / Leitlinien?

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Ben Kaden:

Welche Öffentlichkeit(en)? Wissenschaftspolitische?

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Ben Kaden:

Ich kann mir vorstellen, dass wir diesen Punkt klarer spezifizieren sollten. Welche Domänen werden “übergriffen” / einbezogen? Was bedeutet “groß angelegt” konkret?

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Ben Kaden:

Ich würde lieber von “Vielfalt” sprechen. Bei “Diversität” assoziiere zumindest ich immer zunächst die gesellschaftliche Bedeutung,

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Ben Kaden:

Nachfrage aus dem Publikum: (Inwiefern) Verstehen sich die Autor*innen der Thesen als politische Akteure?

Wie könnte politisches Handeln in dieser Sache organisiert werden?

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Ben Kaden:

Anmerkung zum Punkt politische Rolle aus dem Publikum: Wir konstatieren die Notwendigkeit einer politischen Intervention.

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Ben Kaden:

Was könnten weitere Materialien sein? Hinweise aus dem Publikum: zum Beispiel OER.

Toby Steiner:

Ergänzend: digitale Publikationsformate, die beispielsweise computationelle Elemente oder audiovisuelles Material beinhalten, siehe bspw. die im COPIM-Report entwickelte Typologie zu experimentellen Buchpublikationen unter Adema, J., Steiner, T., & Bowie, S. (2022). Part 2: A Typology of Experimental Books. In Books Contain Multitudes: Exploring Experimental Publishing (2022 update) (2nd ed.). Community-led Open Publication Infrastructures for Monographs (COPIM). https://doi.org/10.21428/785a6451.cd58a48e

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Ben Kaden:

Was verstehen wir unter “wissenschaftsgeleitet”?

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Ben Kaden:

Use Case aus dem Publikum: Ein Herausgeber eines Springer-Journals könnte eventuell auch sagen, die Zeitschrift erscheint wissenschaftsgeleitet.

Ist eine von einer Fachgesellschaft bei Wiley publizierte Zeitschrift wissenschaftsgeleitet?

Wichtig ist Definitionsarbeit, um die Widersprüche aufzulösen.

+ 3 more...
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Ben Kaden:

Frage aus dem Publikum: Schließt das u.U. auch Gold OA ein?

Toby Steiner:

Vielleicht eine Stilfrage, aber für mich sollte diese These höchste Priorität erhalten (also als #1 stehen) - und nicht nur die Orientierung am Gemeinwohl, sondern grundlegender eine Auseinandersetzung - und dann auch Setzung - des grundlegenden Wertesystems, dem wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen sich verpflichten sollten.

Toby Steiner:

Bzgl. Terminologie-Wahl und der oftmals schnell erfolgenden Übersetzung ins Englische scheint mir hier ratsam, die Unterscheidung zwischen “community-led” und “scholar-led” deutlicher zu machen - wenn “wissenschaftlich geleitet” alle aus der Wissenschaft organisierten Publikationsmodelle beinhaltet (also sowohl institutionelles als auch independent publishing - und die Mischformen dazwischen), dann ist zu einer Äquivalenz von “community-led” - also im Sinne von “aus der wiss. Community heraus” zu raten … “scholar-led” bezeichnet hier insbesondere im Englischsprachigen doch etwas andere Kontexte.

Siehe dazu auch tiefergehend: https://blog.scholarled.org/lost-in-translation-revisiting-notions-of-community-and-scholar-led-publishing-in-international-contexts/

Ellen Euler:

Sehr wichtige und gute Anmerkung!

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Markus Putnings:

In Punkto meines Kommentars oben hier noch ergänzen: “Gleiches gilt für den zusätzlichen Ausbau praxisrelevanter Inhalte zum wissenschaftlichen Publizieren in jeglichen bibiothekarischen Ausbildungsgängen”.

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Markus Putnings:

Sind wir das wirklich schon per se? Wenn ich mir die Studienmodule für BA Bibliotheks- und Informationswissenschaft o.ä. ansehe, dann wäre da m.E. leider noch ganz viel Luft nach oben für Inhalte rund ums Publizieren. Vielleicht besser “sind aufgrund der vielfach auf- und ausgebauten Expertisen und der engen Vernetzung untereinander prädestiniert […]”?

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Markus Putnings:

Der Begriff “öffentlichkeitswirksam” passt hier nicht ganz bzw. hört sich danach an, als stände die PR im Vordergrund, nicht der Inhalt oder die Bindung an die Communty. Vielleicht besser “gewichtige” o.ä.?

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Markus Putnings:

Mir geht noch eine These zur Transparenz ab, z.B. “Transparenz und Wissenschaftsfreundlichkeit der Finanzierungs- und Geschäftsmodelle wahren”, mit einer möglichen Beschreibung wie folgt:

“Im Zuge von Innovationssteigerungen (s. These 6) und/oder Kooperationen (s. These 9) müssen neue, attraktive Dienstleistungsangebote in Abwägung zur nachhaltigen Gegenfinanzierung durch die Wissenschaft stehen (s. These 7). Dazu ist eine hohe Transparenz der bisherigen bzw. bestehenden Kostenstrukturen und neu hinzukommender nötig. Insbesondere sollten bei neuen auch Vergleichsangebote eingeholt oder die Open-Source-Realisierung über Drittmittelförderung in Betracht gezogen werden, um Gewinnmaximierungen einzelner marktbestimmender Akteure zu verhindern. Zudem bedarf es einer engen Abstimmung mit den Fachcommunities und deren realen Bedarfen (These 5).

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Markus Putnings:

Ich würde den Thesentitel hier abändern auf “Finanzielle Nachhaltigkeit sicherstellen” und eine weitere These aufstellen namens “Technologische Nachhaltigkeit sicherstellen”, mit einer Beschreibung bspw. wie folgt:

“Für die Sicherstellung der technologischen Nachhaltigkeit und Nachnutzbarkeit sind Open-Science-Praktiken beim Betrieb der wissenschaftsgeleiteten Publikationsinfrastrukturen von hoher Bedeutung. Dies beinhaltet die Erstellung bzw. Nutzung von Open-Source-Software, die Dokumentation v.a. experimenteller bzw. innovativer Methoden und Workflows (siehe These 6) im Sinne von Open Methodology und das Teilen relevanter Materialien - wie Checklisten, Handreichungen, Informationsmaterialien - als Open Educational Resources für die gesamte Community wissenschaftsgeleiteter Publikationsinfrastrukturen.”

Unter These 10 ist das von der Thesenbeschreibung her m.E. nicht abgedeckt.

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Malte Dreyer:

Ergänzend zur Förderung von Innovationen ließe sich anmerken, dass bestehende Prozesse vor allem innovativ in diejenigen Richtungen entwickelt werden müssten, in denen nach wie vor großer Aufholbedarf besteht. Das ist, wie sich im Projekt PALOMERA abzuzeichnen beginnt, unter anderem im Bereich Bücher der Fall, in dem zwar experimentelle Formate auf dem Vormarsch sind, Öffnungsprozesse aber noch ausstehen. Beides, Innovation und Öffnung, könnte und sollte Hand in Hand gehen.

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Malte Dreyer:

meiner Wahrnehmung nach ist die Rolle der EU in weiten Teilen des deutschen OA-Diskurses unterrepräsentiert, vor allem im Vergleich mit unseren Nachbarländern, die meiner Wahrnehmung nach in höherem maße Bereitschaft zeigen, Policy-Making und Förderpolitik mit europäischen Policies zu harmonisieren. Daher fände ich es sinnvoll, neben den institutionellen Grenzen auch noch die nationalen Grenzen als zu überwindende Hindernisse auf dem Weg zu höherer Sichtbarkeit und mehr Kooperation zu nennen.

Toby Steiner:

sehr gute Anmerkung - der Blick über den Tellerrand scheint mir essentiell, wenn man für Deutschland funktionierendes, international anschlussfähiges Publikationsökosystem möchte. Neben der EU spielen hier auch die im europäischen Rahmen agierenden und seit mehr als einem Jahrzehnt bestehenden Netzwerkprojekte wie bspw DARIAH, OpenAIRE oder OPERAS, oder auch die jüngeren Schwester-Infrastrukturprojekte GoTriple oder EOSC eine wichtige aber mir scheint in der Breite im deutschen OA-Diskurs bei weitem unterrepräsentierte Rolle … evtl. wäre hier ja über das NFDI mehr machbar?

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Malte Dreyer:

in Bezug auf diese These stellt sich m.E. die Frage, wie uns in welcher Form diese Fachcommunities adressiert werden können. Die Fachgesellschaften sind in Bezug auf ihr Verhältnis zu ihren Fächern und den Umsetzungsstand von Open Access unterschiedlich entwickelt und daher nur bedingt als Ansprechpartnerinnen geeignet. Wird auf der anderen Seite die Aufgabe der Interaktion den Bibliotheken allein überlassen, besteht das Risiko, dass nicht Fachcommunities in Gänze, sondern nur die der jeweiligen Einrichtung erreicht werden. Gut wäre daher vielleicht, wenn sowohl die Bibliotheken als auch die Fachcomminities Repräsentationsmechanismen ausbilden, die es ihnen erlauben, auch auf einer strategischen Ebene miteinander zu kommunizieren.

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Malte Dreyer:

eine wesentliches Problem in der Beseitigung dieser Leerstellen liegt meiner Wahrnehmung nach in der föderalen Struktur, in der keine Entscheidungsinstanz mandatiert ist, einen Strategie-Prozess zu planen und zu leiten. Eine Möglichkeit, zu einer umfassenden Strategie zu kommen, läge womöglich in einem Zusammenschluss von Bund und Ländern, die dann eine zentrale, koordinierende Instanz mit der entsprechenden Power ausstatten müssten, einen Strategieprozess zu leiten. Eine weitere Alternative läge darin, bereits bestehende, national wirksame Arbeitszusammenhänge nachzunutzen (etwa die der HRK bzw. Allianz), etwa in Form einer dort angeschlossenen AG.

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Malte Dreyer:

Die 10 Thesen lesen sich in Teilen wie die Empfehlungen zu Maßnahmen in einer Policy: Policy-Dokumente werden wiederum oft von Aktionsplänen ergänzt, die konkrete Schritte zur Umsetzung aufführen. Ein derartiges Supplement zur Umsetzung könnte ich mir auch als Outcome einer weiteren Diskussion und Bearbeitung dieses Papiers vorstellen. Jeder einzelnen der hier vorgestellten Thesen müsste im Idealfall ein Set konkreter Maßnahmen an die Seite gestellt werden!

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Frank Siegmund:

These 10: Vorsicht. Es wird derzeit viel Geld in Infrastrukturen für Open Data investiert, siehe NFDI. Es mangelt jedoch schon heute nicht an Infrastruktur, sondern bei Open Data an wiss. Autoren, die bereit sind, die Mühen der Datenpublikation auf sich zu nehmen. Es mangelt an wiss.-sozialer Anerkennung für Datenpublikationen.

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Frank Siegmund:

These 4 und 5 rücken die Fachgesellschaften in den Mittelpunkt. Richtig: Hier ist alles Wissen für eine solide Qualitätssicherung vorhanden. Problem: Fachgesellschaften operieren i.d.R. im Ehrenamt, mit ehrenamtlichen Herausgebern, Lektoren etc. Sie fußen auf Selbstausbeutung. Dies ist nicht mehr zeitgemäß, resp. nicht nachhaltig. Wenn Open Access die bisherigen Abo-Modelle ersetzt, braucht es eine öffentliche (Co-) Finanzierung der Herausgebertätigkeit der Fachgesellschaften.

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Frank Siegmund:

These 3 und 7 sind wesentlich. Aktuell fliesst Unterstützung vor allem in Wandel. Notwendig ist nunmehr Unterstützung für ein nachhaltiges Open Access Publizieren. Bibliotheken können die notwendige technische und bibliothekarische Infrastruktur bieten. Sie müssen dafür dauerhaft finanziert werden, ohne ständig “Projekte” erfinden zu müssen.

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Frédéric Dubois:

Der Fokus bei These 1 liegt momentan auf der groß angelegten Strategie/Initiative, bzw. die Mittel zum Zweck, statt den Zweck selbst. Das ist eventuell nicht so wichtig, liest sich für mich aber trotzdem etwas verwirrend. Wichtiger: obwohl ich die These für richtig halte, sehe ich sie nicht als These 1 einer Weiterentwicklung von Publikationsinfrastrukturen. Da hat jeder seine eigene Prioritätenliste. Mein Blick hierzu, ist das im status quo noch viel Luft nach oben ist und einiges geht, siehe These 6 und 9. Eventuell könnte die Auflistung der Thesen bei der Verantwortung (Autonomie) der Erstbetrofenen/Communities starten, und erst später auf die Thesen die auf Ausseneinwirkung abzielen (z.B. Finanzierung durch öffentliche Gelder) eingehen.

Toby Steiner:

Unterstütze Frédérics Punkt bzgl der Sortierung/Nummerierung sehr - und würde ergänzend anregen, bei These 1 mit einer Ausarbeitung der zugrundeliegenden Werte als Startpunkt anzusetzen (siehe dazu auch weiter unten zu These 8) - denn ohne eine klare Kommunikation des Wertekanons, auf dem wissenschaftsgeleitetes Publizieren fußt - aka. die Definition der eigenen Positionierung der mit wissenschaftsgeleiteten Publizieren implizierten Community, auf die man sich berufen kann (und entschuldigt bitte, aber dieses Addendum scheint mir nötig - ja, dies kann auch durchaus als politischer Akt gesehen werden, auch wenn sicherlich einige Stimmen weiterhin auf der Illusion von Neutralität beharren wollen), d.h. der Zweck, das Wieso, das Ziel, das erreicht werden will - ansonsten bleibt alles andere schnell Stückwerk ohne bindenden Zusammenhang…

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Frédéric Dubois:

… über institutionelle “und nationale” Grenzen hinweg. Viele Länder (z.B. die Niederlande) sind schon ein Schritt weiter in der Weiterentwicklung. Einige deutsche Publikationen kooperieren bereits mit Services wie Scipost oder Unibibliotheken wie die der Universität Amsterdam. Solche Kooperation bringen nicht nur Publikationen weiter, sondern auch den Wissenschaftsbetrieb, der ja in vielen Fächern international zu verstehen ist.

Toby Steiner:

+1

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Frédéric Dubois:

Hier könnte die digitale Souveränität Eingang finden, eher als, bzw. zusätzlich zur Platzierung in These 1.

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Frédéric Dubois:

Universitätsbibliotheken

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Bernhard Mittermaier:

das ist vermeintlich eine Präzisierung (im Sinne von: nicht öffentliche Bibliotheken), aber faktisch eine Engführung, die nicht korrekt ist (Bibliotheken von Hochschulen und außerunversitären Forschungseinrichtungen sind dann ausgeschlossen). Da aus dem Kontext m.E. klar wird, dass ÖBs nicht gemeint sind, empfehle ich “Bibliotheken” beizubehalten.

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Frédéric Dubois:

Erfreulich, dass die digitale Souveränität zu Beginn berücksichtigt wird. Allerdings ist das nur eins von mehreren Zielen, nicht wahr? Mann könnte “u.a. die digitale Souveränität” schreiben, und die Bibliodiversität etwas zentraler hervorheben?

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Joshua Shelly:

Ich tue mich schwer mit dem Wort "prädestiniert". Wenn etwas prädestiniert ist, heißt es, dass egal was wir machen, es ist schon im Voraus bestimmt worden, dass es passieren wird. Das Wort impliziert, dass menschliches Agieren eine untergeordnete Rolle spielt. Aber die Verfasser:innen dieser Thesen möchten ihre Leser:innen dazu bringen, dass sie sich für Veränderung einsetzen. Aber wieso soll ich mich für etwas einsetzen, wenn es so oder so passieren soll? Vllt. besser wäre: "Bibliotheken sind besonders geeignet..."

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Paul Schultze-Motel:

+1

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Daniela Hahn:

Mit Blick auf das kürzlich publizierte Policy Document des DIAMAS-Projektes wäre es eventuell wichtig, den Begriff der “wissenschaftsgeleiteten Publikationsinfrastrukturen” nochmals zu präsizieren, als Gegenstand und Addressat. DIAMAS spricht von institutionellen Publikationsserviceprovidern und hat bei seiner Umfrage festgestellt, dass sich Institutionen damit teils nicht identifizieren bzw. sich nicht angesprochen fühlen (https://doi.org/10.5281/zenodo.8202168). In dem Papier wird auch ein globales Alignment von Standards gefordert und für eine klare Trennung zwischen Wissenschaft und Service Providern argumentiert, um herausgeberischen Freiheit und Verantwortlichkeit in den Händen der Community abzusichern. Diskutiert wird ja auch immer wieder, inwiefern es nicht nur Vernetzung zwischen Institutionen, sondern den Aufbau nationaler Infrastrukturen braucht (ev. als Teil einer Strategie). Zudem ist für mich die Frage, wie Bibliotheken auf die erwähnten neuen Aufgaben vorbereitet werden können. Ggf. müsste noch dezidierter definiert werden, in welchen Bereichen die Stärken von Bibliotheken liegen (und wo sie sinnvoll Support leisten können) und in welchen Bereichen andere Akteure weitere Unterstützung leisten sollten/müssen (bspw. betreffs Research Assessment Reform).

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Stephan Wünsche:

+1.

These 3 adressiert die Bibliotheken in ihrer Rolle als “institutionelle Publikationsserviceprovider”, während These 4 (meinem Verständnis nach) die wissenschaftlichen Akteure adressiert, die diese Services nutzen. Heißt: Grundsätzlich stellen die Bibliotheken die Infrastruktur sicher, die wissenschaftlichen Communities verantworten die inhaltliche Qualität. Beides mag nicht immer vollständig zu trennen sein und Kooperation ist sinnvoll, daher ergibt es Sinn, diese Rollen beide in den vorliegenden Thesen zu berücksichtigen. Aber eine begriffliche Trennung wäre angebracht, auch wenn dann nicht mehr jede These mit “Wissenschaftsgeleitete Publikationsinfrastrukturen …” beginnen kann.

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Bernhard Mittermaier:

Der Begriff “Forschungsevaluation” taucht zwar in These 10 auf, aber mit der Zielrichtung, dass auch Nicht-Text-Publikationen berücksichtigt werden. Für wissenschaftsgeleitetes OA-Publizieren ist aber zusätzlich die Abkehr vom Impact-Faktor-Fetisch notwendig. Dies geht alle Stakeholder an, vor allem aber die Forschungsförderer, von denen diebezügöich klare Aussagen kommen sollten.